Die geprügelte Generation
zwei Brüder zu Hause furchtbar verprügelt worden sind. Aber der hätte das nie gesagt in der Wohngemeinschafts-Runde. Nie! Also wir Frauen haben da eher drüber geredet. Aber Jungs haben geschwiegen.«
Nirgendwo richtig sein, immer nicht passen
Dieses Gefühl, nicht liebenswert zu sein, immer nicht richtig zu sein, hat Monika ihr Leben lang begleitet. »Hinzu kam der Eindruck, dass ich mich eigentlich mit niemandem wirklich verstehe. Keiner nachvollziehen kann, wie es mir geht. Ganz oft bin ich, als ich jünger war, unglaublich aggressiv gewesen. Ich erinnere mich noch an eine Diskussion über Ausländerfeindlichkeit. Da wurde die Position vertreten, ja so mit der Ausländerfreundlichkeit, das könnten sie auch nicht immer so durchhalten, wenn jemand sich nicht integrieren wolle oder so. Daraufhin bin ich auf die Barrikaden gegangen. Ich war immer so moralisch. Das ist mir auch vorgeworfen worden. Immer unglaublich moralisch und habe selber darunter gelitten. Weil keiner mich verstanden hat. Ich war wieder anders.«
In ihrer Wohngemeinschaft, in der sie als Studentin lebte, hatte sie bei Kontroversen immer mal wieder den Impuls »du stehst jetzt auf und scheuerst dem ein paar. Damals kam dieses Gefühl viel häufiger hoch, als später gegenüber meinem Kind. Also so Macho-Ärschen gegenüber, die es ja wirklich in Wohngemeinschaften gab. So dogmatischen DKPisten gegenüber oder so.«
Während ihres Studiums an einer Fachschule für Sozialpädagogik gab es nur einen männlichen Dozenten. »Ansonsten war das eine richtige Frauenschule. Die Lehrerinnen hatten sich allesamt rübergerettet aus dem Naziregime. Auf diesen Mann bin ich zugegangen. Der war zwar ultrakatholisch, hatte vier Kinder. Trotzdem hat er mich so in die Richtung A. S. Neill, Summerhill 5 denken lassen. Das fand der bestimmt nicht eins zu eins gut. Späterhat er mal anlässlich eines Klassentreffens zu mir gesagt, also der Unterricht war immer total spannend, wenn Sie da waren. Weil Sie waren immer dagegen. Egal was ich erzählt habe, Sie waren erst mal immer dagegen. Das war so um 1968.«
Auch als erwachsene erfolgreiche Frau hatte sie in ihrem beruflichen Alltag oft das Gefühl, gedemütigt zu werden. So, wie sie das ja von zu Hause aus kannte. Und in Beziehungen fühlte sie sich häufig verkannt, nicht genug geliebt, ging davon aus, »mich kann sowieso keiner lieben, weil ich ständig so unter Strom stehe. Auf der anderen Seite war ich grenzenlos anspruchsvoll.«
Dieses Gefühl, sich anders zu fühlen, nicht richtig dazuzugehören, hat sie oft einsam gemacht. »Meine ganz große Liebe ist hieran gescheitert. Noch heute grübele ich darüber nach, was daran mein Anteil war. Ob meine Art, Ich zu sein, die Dinge zerstörte. Das Gefühl, ich bin nicht richtig, ich bin hier nicht richtig, ich bin wie ich bin nicht richtig. Ich muss immer aufpassen. Das ist etwas, was mich mein Leben lang begleitet.«
Irgendwo hatte sie gelesen, wer geprügelt wurde, prügelt selber. Deshalb ist sie auch besonders stolz darauf, gegenüber ihrer Tochter nie die Hand erhoben zu haben. »Ich habe sie nie geschlagen, nur einmal habe ich sie geschubst. Das erzählt sie immer noch: Du hast mich mal geschubst! Ich weiß noch, als sie während ihrer ersten Trotzphase so mit drei oder vier nie das anziehen wollte, was dem Wetter angemessen war, und dass sie beim Anziehen unglaublich getrödelt hat. Dabei musste ich sie in den Kindergarten bringen, danach musste ich arbeiten. Also das war getaktet. Nein, das zieh ich nicht an, ich will das Sommerkleid anziehen! Und es war tiefster Winter, unter null Grad.« Für Monika eine brenzlige Situation, aus der sie sich klug herauszog. Sie legte ihrer Tochter die Anziehsachen hin, sagte ihr: »Du ziehst die jetzt an. Ich geh jetzt raus. Meine Taktik war, mich zu entfernen, Distanz zu schaffen. Wenn ich wiederkam, hatte sie sich beruhigt. Ich bin weggegangen, weil ich Angst davor hatte, ihr eine zu scheuern, wenn ich geblieben wäre.«
Monikas Mutter wird zur witzigen, liebevollen Oma
Monikas Mutter hatte aber auch eine andere, eine humorvolle, ja geradezu liebevolle Seite. Von der ist Monika heute »völlig begeistert, weil die Oma sehr, sehr witzig sein kann und Sachen super auf den Punkt bringt. Sie hatte eben auch diese Seite. Auch wenn ich krank darniederlag, war sie unglaublich lieb zu mir. Richtig besorgt saß sie an meinem Krankenbett. Allerdings auch nicht mehr als ein oder zwei Tage. Dann hatte ich gefälligst wieder
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