Die geprügelte Generation
gesund zu sein.«
Meistens jedoch, erzählt Monika, konnte sie machen was sie wollte, es war immer falsch. »Nein, stimmt gar nicht«, korrigiert sie sich. »Es war nicht falsch, sondern ich war falsch. Ich war jedenfalls nicht richtig.« So glaubte Monika viele Jahre lang, sie sei ungeschickt, habe zwei linke Hände. Erst als sie im Alter von 45 Jahren eine Therapie machte, sagte die Psychologin zu ihr: »Wieso glauben Sie eigentlich, dass Sie zwei linke Hände haben? Sie haben den ganzen Haushalt geschmissen. Sie waren allein erziehend. Sie haben so viel in Ihrem Leben schon hingekriegt.« Seitdem merkt sie, wie geschickt sie eigentlich ist. Wie leicht sie Kaputtes repariert, ihren Haushalt schmeißt, Dinge regelt. Bei solchen Gelegenheiten fällt ihr wieder ein, dass sie die Tochter eines Schlossers ist.
Irgendwann hat sie ihrer Mutter beschrieben, wie schrecklich diese Kindheit für sie war. Woraufhin die sich mit den Worten verteidigte, wir wussten es nicht anders. Außerdem sei Monika wirklich ein furchtbar anstrengendes Kind gewesen. »Das war ich sicher auch. Ich habe lange drüber nachgedacht, warum das alles so war. Ein Grund war sicherlich, dass meine Mutter mir meine Kindheit und meine Jugend geneidet hat. Weil bei ihr alles anders war. Ihre Mutter, also meine Großmutter, ist früh gestorben, dann war Krieg, und ihre Stiefmutter hat sie nie geliebt, sie immer bis aufs Blut gereizt. Deshalb war sie so unglaublich neidisch auf mein Leben. Vor allem, als ich dann ausgegangen bin, auf Feten,auf denen echte Bands gespielt haben. Als ich dort so etwas wie Lebensfreude entwickelte.«
Als Monika aus dem Haus war, ging ihre Mutter wieder arbeiten. Häufig holte Monika sie zu der Zeit nach der Arbeit vor dem Geschäft ab. Doch immer meckerte die Mutter dann an ihr herum, fand sie nicht richtig gekleidet. »War peinlich berührt über mein Outfit. Da war ich wieder nicht richtig. Das hat sich immer durchgezogen. Trotzdem habe ich sie abgeholt. Aber ich bin immer seltener zu ihr nach Hause gefahren, habe manchmal Freunde mitgenommen, damit so eine Distanz zwischen uns entsteht.«
Monika hat nie geheiratet. »Es war ein bisschen eine Reaktion auf den Eindruck: Dich will ja keiner, gut, dann will ich auch nicht. War so, als wollte ich etwas dagegen setzen. Und meine berufliche Karriere, über die mein Vater immer gesagt hat, die sei sinnlos, weil ich ja doch irgendwann heirate, die habe ich in den Mittelpunkt meines Lebens gestellt. Trotzdem habe ich ein Kind bekommen. Unehelich. Ich wollte ein Kind, aber nicht unbedingt einen Mann dazu. Sobald ich sicher im Job war, habe ich gedacht, so jetzt kann das passieren. Und ich wurde auch schwanger. Als meine Mutter das erfuhr, hat sie mir einen Brief geschrieben, in dem stand, wir haben jetzt keine Tochter mehr. Ich solle jetzt bloß in meinem Zustand nicht nach Hause kommen, weil die Leute mich so nicht sehen dürften.«
Für Monika war dieser Brief »eine Befreiung.« Nun war sie diese Mutter endlich los, konnte machen was sie wollte, ohne ständig kritisiert zu werden. »Als dann meine Tochter geboren war, stand meine Mutter allerdings sofort wieder auf der Matte. Damit begann eine neue Ära. Die hat mein Kind angeguckt, mein Kind hat meine Mutter angeguckt, und zwischen beiden gab es sofort eine innige Beziehung. Dabei hatte ich mir vorgenommen, mein Kind niemals mit meiner Mutter allein zu lassen. Vielleicht in Erinnerung an die Frau, die mir den nassen Aufnehmer um die Ohren geklatscht hatte.«
Monikas Mutter war immer schon eine pingelige Hausfrau, bei ihr war es piekfein sauber und ordentlich. Als Monikas Tochter daher so etwa mit anderthalb Jahren im Wohnzimmer dieser Oma zu Besuch war und auf dem »Holzsims des Wahnsinns-Wohnzimmer-Schrank-Trumms, an den keiner außer ihr ran durfte, mit ihren Matchbox-Autos Rennen fuhr«, rechnete Monika mit einer Katastrophe. »Ich habe gedacht, meine Mutter geht jetzt hin und knallt der eine. Ich hab das wirklich so gesehen.« Stattdessen ging ihre Mutter hin zu dem Enkelkind und sagte verzückt: ›Ach guck mal, was das Kind da macht! Das ist ja wie ’ne Rennbahn!‹ »Ich dachte, ich fass es nicht. Von da an habe ich ihr meine Tochter anvertraut. Ich war mir sicher, diesem Kind tut sie nichts. Das ist für mich die absolute Versöhnung gewesen. Die besteht bis heute. Die Beziehung zwischen meiner Mutter und meiner Tochter ist sehr tragfähig. Rundumversorgung gab es nicht bei der berufstätigen, alleinerziehenden Mama,
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