Die geraubte Braut
Portia warf ihr Rapier auf einen Strohballen, lief durch die Scheune und sprang direkt in seine Arme. Sie schlang die Beine um seine Mitte, die Arme um seinen Nacken und küsste ihn mit unverhüllter Leidenschaft.
»Du bist unversehrt«, raunte sie an seinem Mund. »Ich hatte so große Angst, obwohl ich dagegen ankämpfte.«
»Natürlich bin ich unversehrt«, antwortete er leichthin und umfasste ihr Hinterteil.
»Ist es dir gelungen, den Schatz an dich zu bringen?«
»Er wird nach Newcastle geschafft.«
»Gab es Tote?« fragte Will und versuchte, nicht so verlegen zu klingen, wie er sich fühlte. Er wusste nicht, wohin er schauen sollte. Die Hände seines Vetters erschienen ihm so groß und Portias Hinterteil so klein.
»Einige«, sagte Rufus. »Aber nicht auf unserer Seite.«
Nun trat Schweigen ein, bis Portia die Spannung nicht mehr aushielt. Auch wenn sie damit diesen Moment des freudigen Wiedersehens aufs Spiel setzte, musste sie es erfahren. Hatte sie Cato dem Tod ausgeliefert? »Cato?« Dieses eine Wort, als Frage geäußert, durchbrach die Stille.
Rufus stellte sie auf den Boden. »Granville war an dem Überfall nicht beteiligt«, sagte er. »Das überließ er seinen Gefolgsleuten … zum Glück für ihn«, setzte er mit hartem Auflachen hinzu. »Ihre Niederlage war so eindeutig, dass wir Quitt gewesen wären, er und ich, hätte er mitgekämpft.« Dann wischte er mit fast sichtbarer Anstrengung über seine Stirn, um die Erinnerung zu verscheuchen, und fragte gutgelaunt: »Und wie kommt es, dass du dir mit Will ein Duell lieferst?«
Will sah Portia an, die ihrerseits Will ansah. Dann atmete Portia tief durch und sagte: »Will und George haben mir den Umgang mit allen Waffen beigebracht, die man braucht, wenn man in den Reihen der Miliz kämpft.«
»Was?« rief Rufus aus.
»Ich sagte dir ja, dass ich mitkämpfen möchte«, sagte Portia unbeirrt. »Und jetzt kann ich dir beweisen, dass ich dazu befähigt bin. Ich bin gut genug, so ist es doch, Will?« Sie fixierte ihn mit einem durchdringenden Blick, der eine Äußerung verlangte.
Will spürte, wie ihm der Boden unter den Füßen entzogen wurde, und Rufus machte ein Gesicht, als wolle er seinen Ohren nicht trauen. Aber Will war kein Hasenfuß. »Mit dem Schwert ist sie besser als ich«, berichtete er, »und mit dem Bogen geht sie einigermaßen um.«
»Danke, Will«, sagte Portia leise.
Er zuckte mit den Achseln. »Es ist die Wahrheit. Ihr habt mir einmal das Leben gerettet, und mir wäre nicht bange, wenn ich Euch an meiner Seite wüsste.«
Ein wahrhaft großes Lob! Portia errötete vor Freude. Am liebsten hätte sie ihm einen Kuss gegeben, doch war dies unter Kameraden unüblich.
»Soll das heißen, dass du auch George in diese lächerliche Sache hineingezogen hast?« wollte Rufus wissen.
»So ist es, Mylord. Ich brachte ihr den Umgang mit Pike und Muskete bei.« George sprach aus dem Hintergrund. Er hatte von der Rückkehr des Herrn vernommen und wollte wissen, wie die Expedition verlaufen war. Nach der Gewittermiene des Herrn zu schließen, drohte Portias Plan freilich auf wenig Gegenliebe zu stoßen. »Das Mädchen hält sich gut, Mylord. Die Männer haben ihr beim Training zugesehen. Alle sind sie dieser Meinung.«
Das war Portia neu. Ihre Röte vertiefte sich. Ehe Rufus etwas äußern konnte, sagte sie rasch und entschlossen: »Rufus, ich werde es dir beweisen. Eben hast du mich fechten sehen. jetzt will ich mit dir fechten.« Entschlossen bückte sie sich nach ihrem Rapier, das sie zu einem raschen Salut durch die Luft sirren ließ. »Und dann werde ich mit sechs Pfeilen dreimal ins Schwarze treffen und dir zeigen, wie ich eine Muskete in wenig mehr als einer Minute abfeuern und nachladen kann.« Ihre Augen blitzten, und ihre Worte kullerten in einem begeisterten Schwall heraus, so sehr lag ihr daran, ihn zu überzeugen. »Wenn du mich nur …«
Rufus hob eine Hand. »Ich brauche das alles nicht mit eigenen Augen zu sehen«, wehrte er scharf ab. »Wenn Will und George bestätigen, dass du es kannst, reicht es. Aber das alles ändert nichts an meinem Entschluss, Mädchen. Glaubst du, ich würde zulassen, dass du dich den Gefahren eines Kampfes aussetzt?«
Portia straffte ihre Schultern und sah ihn mit vorgestrecktem Kinn entschlossen an. »Wenn ich mich diesen Gefahren aussetzen möchte, ist es allein meine Sache und nicht deine. Ich bin gut genug, um unter deinem Banner zu kämpfen, und es ist eine Beleidigung, wenn du sagst, du
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