Die geraubte Braut
und richtete sich auf. Paul saß an einen Felsblock gelehnt auf dem Boden und verzehrte seelenruhig einen Apfel. Ihre zwei Pferde, die an ein Bäumchen gebunden waren, waren mit dem Inhalt ihrer Hafersäcke beschäftigt.
»Was meinst du, wann die anderen hier eintreffen werden?« fragte Portia beiläufig.
»Will meinte, wir könnten vor Sonnenuntergang mit ihnen rechnen«, erwiderte Paul. »Sicher hat er nicht gedacht, dass wir so rasch fertig sein würden.« Grinsend warf er den Apfelrest fort. »Wir hätten auch viel länger gebraucht, wenn du nicht auf die Spur gestoßen wärest.«
Portia öffnete ihre Satteltasche und zog ein Bündel heraus. »Hast du das Huhn aufgegessen, Paul?«
»Hast du nicht gesagt, dass du es nicht magst?«
»Das habe ich nie gesagt«, protestierte sie. »Na, schon gut, mir reicht der Käse.« Sie hockte sich lässig mit Brot und Käse auf den Stein.
»Tja, wenn du nicht auf ihre Spur gestoßen wärest, hätten wir sie verfehlt«, wiederholte Paul, mit einem Zweig in seinen Zähnen stochernd.
Portias Lächeln zeigte eine gewisse Selbstzufriedenheit. »Als wir vor ihnen auf den Weg sprangen, waren sie ziemlich verdutzt.« Sie und Paul waren mit der Aufgabe betraut worden, zwei Männern zu folgen, die, als wohlhabende Bauern verkleidet, in Wahrheit Kuriere der Rebellen waren, wie Will durch seine Späher erfahren hatte. Diese Männer sollten Informationen von General Fairfax in Hull zu Lord Leven bringen, der vor Durham lagerte.
Paul lachte verhalten. »Ja, der Herr wird erfreut sein, wenn er sieht, was wir aus ihnen herausbekommen haben.«
Sie waren den Männern zu einem Weiler etwa fünf Meilen von ihrem gegenwärtigen Standort gefolgt und hatten sie überrumpelt. Nun harrten die zwei Kuriere geknebelt und gefesselt in einem Hühnerstall einer ungewissen Befreiung. Die Depeschen, die sie befördert hatten, enthielten wichtige Informationen über Truppenbewegungen und waren für die Königstreuen von höchstem Interesse. Nun steckten sie in einem Innenfach von Portias Satteltasche.
Will hatte Portia und Paul mit diesem Auftrag betraut, während er und der Rest der Patrouille einer kleinen Abteilung der Granville-Miliz in der Hoffnung nachsetzten, sie in ein Gefecht zu verwickeln.
Im Winter waren die Kämpfe im nördlichen Grenzland ziemlich planlos geführt worden. Es war ein Krieg der kleinen Scharmützel und Spähaktionen, der Belagerungen und lästigen Nadelstiche. Seit Leven seine schottische Armee über die Grenze geführt hatte, war es zu keinen entscheidenden Kämpfen gekommen. Zwar hatten sich die Royalisten im Norden halten können und nur Hull verloren, mit dem Nahen des Frühlings würden die Truppen aber wieder volle Bewegungsfreiheit erlangen, so dass man mit einer Vereinigung der zwei Flügel der Rebellenarmee rechnen musste. Da die Royalisten unter Lord Newcastle den Parlamentstruppen zahlenmäßig unterlegen waren, war ihre Niederlage mehr als wahrscheinlich.
Rufus würde an den Informationen, die Portia in ihrer Satteltasche trug, zweifellos sehr interessiert sein.
»Ich gehe ein Stück spazieren, Paul.« Sie glitt von ihrem Stein.
Paul knurrte nur und schloss die Augen. Er verschränkte die Arme unter seinem Mantel und richtete sich auf ein Nickerchen ein.
Sicher glaubte er, sie würde nur ihre Notdurft verrichten, und Portia ließ ihn bei dieser Annahme. Mit etwas Glück würde er den Großteil des Nachmittags verschlafen. Sie konnte zurück sein, ehe er erwachte.
Mit Schnelligkeit und Geschick, die sie sich in den letzten Wochen angeeignet hatte, bewegte sie sich durch ein kleines Waldstück den Hang hinunter zur Festung, von einem Baumstamm zum nächsten springend, stets hinter Strauchwerk und Steinen Deckung suchend. Breeches und Wams waren dunkel und verschmolzen mit der Umgebung. Ihr helles Haar hatte sie unter einer Kappe versteckt, die den Kopf ganz umschloss. Im Gürtel steckten Rapier und Messer, Waffen, die sie bereits angewendet hatte. In den letzten Wochen hatte sie vieles gelernt, unter anderem auch, dass alle Skrupel, Blut zu vergießen, vergessen waren, wenn das eigene Leben bedroht war.
Sie schlich den Graben entlang, bis sie sich auf Höhe der kleinen Insel befand. Unter der wärmenden Märzsonne ließ der eisige Biss des Winters schon nach. Eine Woche noch, und das Eis würde so dünn sein, dass Olivia nicht mehr darauf laufen konnte. Es war Portias letzte Chance, die versprochene Nachricht unter dem Stein zu hinterlegen.
Sie hatte sich
Weitere Kostenlose Bücher