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Die geraubte Braut

Die geraubte Braut

Titel: Die geraubte Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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konnte. Es musste nicht unbedingt bedeuten, dass sie tatsächlich jemandem den Leib zerstückeln musste.
    Besser war die Muskete, da eine Kugel über eine größere Distanz abgefeuert wurde, doch machte sie sich keine Illusionen über den angerichteten Schaden. Da ihre langen, schmalen Finger geschickt und flink waren, beherrschte sie bald die Kunst des Nachladens. Die Muskete drückte jedoch schwer auf ihre Schulter, und der Rückstoß traf sie heftig. Nach wenigen Versuchen hatte sie einen starken Bluterguss, und es bedurfte ihrer ganzen Ausdauer, um die Übungen fortzusetzen, ohne George merken zu lassen, wie schmerzhaft es für sie war.
    Am leichtesten fiel ihr das Training mit dem Rapier. Jack hatte sie fechten gelehrt, als sie zwölf war. Es war ein Sport, in dem er brillierte, bis der Brandy seinen Blick getrübt hatte und er so stark zitterte, dass er außer einer Brandyflasche nichts mehr halten konnte. Will war viel entspannter, wenn sie in Tods Scheune fochten. Portia war so geübt, dass sie von ihm nur wenig lernen konnte und ihre Waffengänge für sie bald zum reinen Vergnügen wurden.
    Als die Tage vergingen und keine Nachrichten eintrafen, beschwichtigte Portia ihre Ängste, indem sie sich sagte, dass es für sie besser war, wenn Rufus länger ausblieb. Bei seiner Rückkehr wollte sie absolut perfekt sein. Sie wollte, dass George und Will bedenkenlos sagen konnten, sie sei imstande, neben ihnen in der Kampfreihe zu stehen. Es konnte nicht ausbleiben, dass ihre Übungsstunden Zuschauer anzogen, die anfangs mit Belustigung und Skepsis reagierten. Allmählich aber änderte sich ihre Haltung. Ihre Kommentare waren nicht mehr spöttisch, sondern ermutigend, und bald waren sie mit Ratschlägen zur Hand. Mit jedem Tag wuchs in Portia das Gefühl, dass sie sich irgendwie – und zwar auf eigene Faust, ohne Beistand von Rufus – unter diesen Männern einen festen Platz erkämpfte.
    Nicht ein einziges Mal fühlte sie sich durch ihre Position als einzige Frau inmitten einer Bande wilder Briganten gefährdet. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, von Männern, insbesondere in Gruppen, das Schlimmste anzunehmen. Zunächst war sie der Meinung gewesen, die Zurückhaltung der Männer von Decatur komme daher, dass sie in festen Händen war und niemand auf das Territorium des Kommandanten vorzudringen wagte. Das aber hätte lüsterne Blicke, beleidigende sexuelle Anspielungen, Geflüster und schlüpfrige Witze bedeutet. Das alles gab es nicht. Es war eine angenehme Überraschung, eine, die ihre Vorurteile über das gesamte männliche Geschlecht leicht ins Wanken brachte.
    Als Rufus zurückkehrte, focht sie eben mit Will in Tods Scheune ein hitziges Duell aus. Rufus kam an der Spitze seiner Truppe ins Dorf geritten, ohne Fanfare, da er Portia überraschen wollte. Als er das Haus leer vorfand, war er enttäuscht und ging in die Kantine, weil er sie dort vermutete.
    »Ach, das Mädel ist um diese Tageszeit meist mit Will in Tods Scheune«, eröffnete ihm Josiah inmitten seiner Kochtöpfe seelenruhig.
    Rufus' Neugierde war geweckt. Was konnte Will und Portia täglich in die Scheune führen? Sofort machte er sich auf den Weg dorthin und blieb davor stehen, als er den unverkennbaren Klang von Stahl auf Stahl hörte. Mit gerunzelter Stirn schlüpfte er durch das angelehnte Tor und blieb im Halbdunkel stehen, um die zwei geschmeidigen Gestalten zu beobachten.
    Er sah auf den ersten Blick, dass Portia gut war. Flinker als Will und durch ihre Schnelligkeit etwas unpräziser in ihren Stößen, parierte sie seine Attacken jedoch mit unübertroffener Zielsicherheit, so dass es ihrem Gegner kaum gelang, ihre Deckung zu durchstoßen.
    O Gott, wie sehr sie ihm gefehlt hatte! Sogar während der konzentrierten Planung, in der Hitze des Gefechts und im Siegestaumel hatte er ständig an sie gedacht. Er konnte es kaum erwarten zurückzukehren und zu hören, dass er ihr so gefehlt hatte wie sie ihm.
    Zumindest hatte sie nicht dagesessen und Trübsal geblasen, dachte er spöttisch. Eine Weile sah er ihr unbemerkt zu und genoss diese private Aufführung. Ihre Anmut und ihr Elan im Fechtkampf erinnerten ihn an ihre wundervoll ungehemmte Art zu tanzen und an die Geschmeidigkeit und Biegsamkeit bei der Liebe. Sie lachte fröhlich, als sie Wills Klinge mit einer Terzparade abfing, und Will, der im Gegensatz zu ihr grimmig und entschlossen dreinsah, senkte seine Klinge.
    »Bravo, Spatz!« Rufus trat aus dem Dunkel und klatschte Beifall.
    »Rufus!«

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