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Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Liebesdiplomatie sicherte die neuen Außengrenzen. Mit seiner starken Stellung erstickte Theoderich bis zu seinem Tod jegliche Expansionsgelüste der Franken. Und auch Ostrom hielt still – denn natürlich hatte der Kaiser zuvor unter der Hand die Gegner Theoderichs unterstützt.
    Am Ende seiner langen Herrschaft kam der Name des großen Goten unverdient in Verruf. Zwei berühmte Römer wurden hingerichtet: der Philosoph und hochgeachtete Minister Boethius sowie sein Schwiegervater, der Senator Symmachus. Auslöser war eine Spionageaffäre: Ein Patrizier namens Albinus war des Hochverrats überführt und verurteilt worden. Er hatte mit Kaiser Justin gegen Theoderich konspiriert. Boethius schlug sich lauthals auf die Seite des Verurteilten. Daraufhin klagte der römische Staatsanwalt den Minister selbst an. Das »Fünfmännergericht«, das Standesgericht der Senatoren, verurteilte den prominenten Intellektuellen zum Tode; 524 wurde Boethius mit dem Beil hingerichtet. Auch Symmachus, der sich für ihn eingesetzt hatte, kam nicht lebend davon. Obwohl sich Theoderich die ganze Zeit aus diesem innerrömischen Rechtsstreit herausgehalten hatte, wurde er zum Sündenbock der Tragödie. Seine Gegner sahen ihn jetzt wieder als ungläubigen Barbaren. Gerüchte wurden in Umlauf gesetzt, dass Theoderich Analphabet sei und eine goldene Schablone benutze, um das Wort »legi« (ich habe gelesen) nachzuzeichnen.
    Und dennoch war Zeitgenossen, als Theoderich am 30. August 526 verschied, sein Rang bewusst. »Dem Namen nach«, schrieb der griechische Autor Prokop, sei Theoderich ein Usurpator gewesen, »in Wirklichkeit jedoch ein echter Kaiser und stand keinem seiner berühmten Vorgänger irgendwie nach«. Was danach kam, der lange Abstiegskampf der Ostgoten, ist oft genug beschrieben worden, am ergreifend-kitschigsten wohl in Felix Dahns Bestseller »Ein Kampf um Rom« (1876), der 1968 mit Orson Welles verfilmt wurde. Die Nachwelt stilisierte den Niedergang der Ostgoten zu einem Kulturkampf zwischen dekadenten Römern und edlen Germanen.
    Die Wirklichkeit war komplexer. Mit Theoderichs Tod verwaiste der Thron. Sein Enkel war viel zu jung und starb früh. Und seine Tochter Amalasuntha, eine Frau von »durchaus männlicher Denkweise« (Prokop), kam wegen ihres Geschlechts nicht als Oberhaupt in Frage. Die gotischen Granden intrigierten gegen die Frau auf dem Thron; 535 wurde Amalasuntha heimtückisch erwürgt. Nach einem kurzen Zwischenspiel des letzten Amalers, des Lebemanns Theodahad, wechselten sich Militärs an der Spitze des Gotenstaates ab. Es galt, die Gefahr aus dem Osten abzuwehren: Der Kaiser wollte ihnen Italien entreißen. Von 535 bis 552 herrschte Krieg.

    Allein die Belagerung Roms, welches das oströmische Heer im Dezember 536 in seinen Besitz gebracht hatte, war ein monatelanges Trauerspiel. 69-mal rückten die Ostgoten unter Vitigis an und rannten mit von Ochsen gezogenen Holztürmen gegen die Tore, während die Byzantiner mit antiken Statuen warfen. Am Ende war Vitigis’ Heer zu einem Häuflein Elend verkommen, und in Rom wütete die Pest. Auf dem Rückzug nach Ravenna zeigten sich die verheerenden Folgen. In Picenum waren 50000 Bauern verhungert, die Überlebenden »glichen völlig abgebrannten Fackeln« (Prokop). Bei Ariminum (Rimini) berichtete man sich von zwei Menschenfresserinnen. Angesichts der Not ergab sich Vitigis. Ravenna fiel kampflos. Die Gotinnen spien ihren Männern ins Gesicht und schalten sie Feiglinge, als die Truppen Ostroms mit ihren schmal gebauten Soldaten in die Königsstadt einzogen.
    Während Vitigis und sein Gefolge nach Konstantinopel abgeführt wurden, wo der Kaiser über die »schönen und hochgewachsenen Barbarengestalten« staunte, hoben die Ostgoten Totila auf den Schild. Dem jungen Krieger gelang es, große Teile Italiens wieder einzunehmen. 546 fiel sogar Rom. Nun schickte der Kaiser seine Flotte aus. Zu Wasser war Byzanz bei weitem überlegen. Unter dem Befehlshaber Narses begann von der Adria aus die Rückeroberung. Im Hochsommer 552 kam es beim umbrischen Taginae zur Entscheidungsschlacht. Totila begann mit einer Darbietung des »Dscherid«, eines Speerrittes der Steppennomaden. Der gotische Recke trug, so Zeitzeuge Prokop, »eine ganz von Gold blitzende Rüstung … Dabei führte er, auf einem prächtigen Rosse reitend, im Raume zwischen den beiden Heeren kunstvoll das Waffenspiel vor«. Es war der Totentanz eines untergehenden Volkes. 6000 Männer kamen im Pfeilregen um; Totila

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