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Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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zufriedenzustellen.
    Theoderich der Große gilt als bedeutendster aller Goten. »Was bei anderen Herrschern die Krone bewirkt, hat meinem König die gottgeleitete Natur geschaffen«, lobte 14 Jahre später der Bischof von Pavia den hochgewachsenen Rex, der nach Art seines Volkes barhäuptig und mit wallendem Haar sein Amt ausübte. Der Kleriker säuselte weiter: »Die wohlgestalteten Hände teilen Untergang den Rebellen und erbetene Ehre den Unterworfenen aus.« Theoderichs schöne Hände hatten viele Schlachten schlagen müssen, bevor sie in Odoaker das letzte Hindernis zu dauerhafter Macht beseitigten. Schon 471, als 20-Jähriger, hatte der Gotenprinz sich die Regentschaft durch einen Überfall gesichert. Mit 6000 Mann war er aus Pannonien (Westungarn) ins Gebiet der Sarmaten eingedrungen, wo er deren König Babai tötete, seine Familie und sein Vermögen raubte.

    Germanenprotektor Theoderich
    (Holzstich nach einer Zeichnung von Hermann Knackfuß, 1873)
    AKG-IMAGES
    Aufgewachsen war Theoderich als Geisel am oströmischen Hof in Konstantinopel. Der Achtjährige war das Pfand gewesen, gegen das Ostrom den Goten 300 Goldpfund als Siedler der Provinz Pannonien jährlich ausgezahlt hatte. Für seine spätere Karriere war es ein Glücksfall: In den zehn Jahren bei Hofe hatte Theoderich eine profunde Ausbildung genossen. Er unterhalte sich gern über die Geheimnisse der Mathematik sowie Kunst und Musik, ließ er später einen gebildeten Römer wissen.
    Trotz des erfolgreichen Beutezugs gegen die Sarmaten musste der junge König Pannonien aufgeben. Sein Volk hungerte. Die Suche nach einem sicheren Siedlungsraum führte zu einer langen Wanderschaft. Von Pannonien zog der Stamm 1200 Kilometer nach Makedonien, von dort wieder weit nach Westen. Zehn Jahre später waren die Goten an der Adria angelangt. Von Dyrrhachium (dem späteren Durazzo) aus setzte Theoderich den Römern mit Plünderzügen zu. Schließlich machte Kaiser Zeno den Goten zum Konsul; dem Neurömer zu Ehren wurde eine Reiterstatue Theoderichs in Konstantinopel aufgestellt. Als der rivalisierende Gotenfürst Rekitach sich bei Zeno beschwerte, erlaubte der seinem neuen Konsul kurzerhand, den Rivalen umzubringen. Rekitach erging es ähnlich wie dann neun Jahre später Odoaker – Theoderich erstach ihn beim Gastmahl.
    »Man kann in diesem Ereignis die ›Geburtsstunde‹ des Stammes der Ostgoten sehen«, schreibt der Theoderich-Biograf Frank Ausbüttel. Denn unter dem Sieger vereinten sich beide Gotenvölker; Theoderichs Anhängerschaft verdoppelte sich. Der Stamm zählte nun gut 100000 Männer, Frauen und Kinder. Allerdings war dieser Stamm darum keineswegs besser beherrschbar. Im Gegenteil: Die Goten verwüsteten Thrakien, besiegten die Bulgaren und standen schließlich vor Konstantinopel. Theoderich ließ sogar die Wasserzufuhr zerstören. Zeno musste handeln. 488 machte der Kaiser dem Gotenfürsten ein unwiderstehliches Angebot: Er stellte ihm Italien in Aussicht.
    Die italische Halbinsel war zwar kein Land mehr, wo Milch und Honig flossen. Nach einem Jahrhundert barbarischer Einfälle, oft abgeschnitten von der Getreidezufuhr aus Afrika, wo die Vandalen herrschten, lagen viele Provinzen verödet. Roms Einwohnerschaft hatte sich halbiert; die Städte Oberitaliens waren zu primitiven Wohnformen zurückgekehrt. Anstelle beheizter Luxusvillen weisen Grabungen für das 5. Jahrhundert wieder Holzhäuser mit gestampften Lehmböden nach. Verglichen mit dem Balkan muss Theoderich Italien dennoch wie das Paradies erschienen sein. Natürlich wusste er, dass dort ein anderer herrschte: Odoaker. Aber er ahnte auch, dass der Kaiser den Usurpator loswerden wollte.
    Der 1500 Kilometer lange Marsch nach Oberitalien war Theoderichs gewagtester Feldzug. Es gab existentielle Engpässe bei der Versorgung. Mit letzter Kraft überwältigte das ausgemergelte Heer vor dem Winter 488 die Gepiden und eroberte einige Getreidedepots. Früh verschanzten sich Odoakers Truppen hinter der Brücke über den Isonzo. Doch Theoderich gelang es, an anderer Stelle heimlich den Grenzfluss zu überqueren, er griff Odoaker am 28. August 489 von hinten an. Das überrumpelte Heer zog sich weit nach Verona zurück. Ein Stellungskrieg hatte begonnen; drei Jahre lang belagerten die Goten den Regierungssitz Ravenna. Mit der Einnahme der Hafenstadt Rimini läuteten sie die letzte Phase ein, die Aushungerung. Abgeschnitten von aller Lebensmittelzufuhr, gab Odoaker nach und ließ sich auf den Friedensvertrag

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