Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
energisch voran, vor allem indem er sich die Adligen seines Volkes unterwarf. 1653 fand man sein Grab in Tournai. Üppig ausgestattet mit Schwert, Lanze und Wurfaxt, dazu Armreifen und Schnallen, kündet die Prunkbeisetzung von Ruhm und Ehre, die Childerich zu Lebzeiten erkämpft hatte.
Sein Sohn Chlodwig, erst 16 Jahre alt, als er den Thron bestieg, tat dann einen epochalen Schritt, eroberte Gebiete in Gallien auf Dauer zu sichern. Während einer Schlacht gegen die Alamannen in arge Bedrängnis geraten, richtete er, der Noch-Heide, ein Stoßgebet an den christlichen Gott: »Hilfe, sagt man, gebest du den Bedrängten, Sieg denen, die auf dich hoffen«, zitiert der Chronist Gregor von Tours Chlodwig: »Gewährst du mir jetzt den Sieg über diese meine Feinde, so will ich an dich glauben und mich taufen lassen.« Das Schlachtenglück soll sich daraufhin plötzlich wieder Chlodwig zugewandt haben. Er schlug seine Feinde und konvertierte 496 tatsächlich.
Wahrscheinlich war es aber weniger der schlagende Gottesbeweis im Felde, der ihn überzeugt hatte, sondern eine pragmatische Überlegung: Ein katholischer König hatte es leichter, die mehrheitlich katholische Bevölkerung in den von den Römern abgejagten Gebieten zu beherrschen. Immerhin konnten die Merowinger große Teile des römischen Staates einfach übernehmen, vor allem Straßen und Befestigungsanlagen, auch das Steuer- und Abgabensystem.
Selbst die Experten können heute nicht mehr vollständig rekonstruieren, welcher der weitverzweigten Merowinger, der Chlodwige, Childeriche und Chlodomere, auf welchen folgte, wie die zahllosen Erbteilungen, Bruderzwiste und Familienfehden im Detail verliefen. Sicher ist: Gegen Ende des 7. Jahrhunderts, als das Frankenreich sich bereits von der Nordsee bis an die Donau erstreckte, war die Macht des Merowinger-Geschlechts erodiert. Längst entschied der höchste Beamte am Hof, Hausmeier (Majordomus) genannt, in allen wichtigen Fragen der Tagespolitik und verwaltete immer mehr königliche Rechte. Zur Erblichkeit seines Postens brachte er es obendrein.
Im Jahr 751 tat der Hausmeier Pippin III . den letzten, logischen Schritt: Er putschte, schickte den letzten Merowinger ins Kloster und setzte sich die Krone auf. Sein Sohn Karl trat 768 ein großes Erbe an. Nachdem er zusätzlich weite Gebiete in Sachsen, Oberitalien und dem maurischen Spanien unterworfen hatte, nannte man ihn »den Großen«. Und am Weihnachtstag 800 krönte ihn Papst Leo III . in Rom schließlich sogar zum Kaiser. Ein Franke war zum mächtigsten Herrscher des christlichen Abendlandes, ja zum offiziellen Erben der römischen Herrschaft geworden, und damit erwies sich das Frankenreich endgültig als größte, stabilste und zukunftsträchtigste germanische Reichsgründung.
Stammbaum bis Wotan
Die angeblichen Barbaren vom Kontinent prägten Britannien kulturell und sprachlich stärker als die Römer zuvor oder später Wikinger und Normannen.
Von Christoph Gunkel
Die Fremden vom Kontinent seien von Anfang an mit üblen Absichten gekommen, schrieb der keltische Mönch Gildas betrübt. Bedrängt von Feinden im eigenen Land, habe Britanniens Herrscher Vortigern germanische Söldner angeworben. Ein entsetzlicher Fehler, meinte Gildas. Wen holte man sich da im 5. Jahrhundert auf die Insel?
»Wie Wölfe in einen Schafspferch« habe man ausgerechnet die gottlosen Sachsen nach Britannien gerufen. Keine Entscheidung, so Gildas, sei »jemals so schädlich und unglücklich für unser Land gewesen«. Freundlich empfangen und großzügig versorgt, habe »diese wölfische Brut« nur auf einen Vorwand gewartet, die Verträge zu brechen, die Insel zu plündern und Menschen »in großer Zahl« zu ermorden. Der Ehrwürdige Beda, ein zweiter Chronist, schreibt sogar empört von Priestern, die vor ihren Altären niedergemetzelt wurden, nachdem im Jahr 449 Soldaten der »drei mächtigen Völker« der Angeln, Sachsen und Jüten Britannien erreicht hatten. Ihr »unbesiegbares Heer« habe selbst jene getötet, die in die Berge flohen.
Doch was bei den beiden wichtigsten Erzählern der frühen nachrömischen Geschichte Britanniens übereinstimmend nach Völkermord klingt, sehen heutige Fachleute weniger eindeutig. Beide Chroniken wurden erst lange nach der Landnahme geschrieben, und ihren Verfassern kamen apokalyptische Szenarien gelegen: Sie verstanden die Invasion der Heiden als Strafe Gottes für den unchristlichen Lebenswandel der Einheimischen.
Unstrittig ist hingegen: Die
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