Die gesandte der Köingin Tess 2
Schmerz raste durch den Stiefel mein rechtes Bein hinauf und schreckte es aus seiner Taubheit. Ich stolperte und fiel auf die Knie. Mein linker Arm war nicht stark genug, um den Fall abzubremsen, und ich schlug hart auf den Boden. Mein ganzer Körper schrie auf vor Schmerz, so dass mir der Kopf dröhnte.
Mir war so kalt, und ich war so allein. Alles tat mir weh. Ich hielt den Atem an und stemmte mich unter Schmerzen Stück für Stück vom Boden hoch, wobei ich auch meinen rechten Arm zwang mitzuhelfen. Gequält starrte ich zu den Blättern hinauf, die sich tiefschwarz vor dem Nachthimmel abzeichneten. »Ihr werdet mich nicht besiegen«, sagte ich zu dem Schmerz, der Müdigkeit und dem Wind in meinem Kopf. »O nein!«
Lass mich los, flüsterte der Zephir. Gift sickerte in meine Adern, und mein Arm kribbelte.
»Sei still«, sagte ich laut, doch das Gift war schon freigesetzt, und mein Blick verschwamm.
Er seufzte und verlockte den Wind in den Bäumen zu frischen Böen. Lass mich hinaus, ich will spielen.
»Nein.« Mein Hals tat weh, und ich kniff die Augen zusammen, um in der Düsternis meine Füße zu sehen, denn der aufgehende Mond konnte den Weg unter den Bäumen nicht beleuchten. Ich zitterte und stolperte und schaffte es gerade so, nicht hinzufallen.
Lass mich spielen, jammerte der Wind in meinem Kopf, und das Seufzen der Bäume klang wie ein Echo. Seine Stimme schwoll an und nährte sich von meiner Schwäche und dem fließenden Gift.
»Wenn ich dich hinauslasse«, brummte ich vor mich hin, »wirst du mich töten.«
Wenn du mich nicht hinauslässt, werde ich dich wahnsinnig machen, entgegnete er, und sein Rauschen ließ mich erschauern.
»Aufhören!«, schrie ich und hörte das Wort als raues Krächzen aus meinem Mund kommen. Ich zwang mich, taumelnd schneller zu laufen, um ihm zu entkommen. »Lass mich in Ruhe!«
Das leise Rascheln von altem Laub ließ mich den Kopf heben. Ein Feuer glomm nicht weit von mir entfernt. »Tess?«, rief eine vertraute Stimme, und mir blieb beinahe das Herz stehen.
Jeck? Ich hielt inne und spähte geduckt und mit zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit. Er saß an einem kleinen Feuer dicht neben dem Weg. Seine Augen waren im Feuerschein weit aufgerissen, und er richtete sich auf. Seine Haltung sollte offensichtlich dazu dienen, seine Überraschung zu verbergen und den Nimbus eines Misdever Gardehauptmanns zurückzugewinnen, den er irgendwo zwischen meinem abgebrannten Schiff und dem einer alten Frau gestohlenen Messer verloren hatte.
Er hat ein Feuer. Das war alles, was zählte – nicht mein Stolz, nicht meine Selbstachtung, gar nichts. Ich wankte weiter, die kleine Wegböschung empor. Direkt vor den Flammen fiel ich auf die Knie und hielt die Hände so dicht daran, dass ich sie mir beinahe verbrannte. Plötzlich begann ich heftig zu zittern, kaum, dass ich mich nicht mehr bewegte.
Jeck sagte nichts und blieb ein Schatten am Rande meines Bewusstseins. Es schnürte mir die Kehle zu, aber ich weigerte mich zu weinen. Ich würde nicht vor ihm weinen, selbst wenn ich mich an Körper und Seele noch nie so elend gefühlt hatte wie in diesem Augenblick. Ich war durchgefroren und hungrig, und der Wind hatte mir sogar das Denken schmerzhaft werden lassen.
Jeck legte einen Ast aufs Feuer, und ich blickte zu ihm auf. Der erste Anflug von Wärme weckte auch meinen Argwohn ihm gegenüber. Das gestohlene Messer der Frau sah ich nirgends, aber das Segel war wie eine Decke um ihn gewickelt. Die Sohlen seiner provisorischen Schuhe waren schwarz, und ich sah, wie er meine soliden Stiefel beäugte. »Wo hast du den Umhang her?«, fragte er.
»Was meinst du wohl?«, entgegnete ich krächzend und zog eine Hand vom Feuer weg, um sie schützend um mich zu schlingen. »Der gehört mir!«, rief ich, plötzlich ängstlich. »Wenn du mich anrührst, tue ich dir weh, das schwöre ich. Ich werde es tun. Jetzt kann ich dir wehtun!«
Sein Gesicht spiegelte keinerlei Emotion, doch er rührte sich nicht, also rückte ich noch näher an die Flammen heran. »Sie hat ihn mir geschenkt «, sagte ich und hoffte, ihn damit zum Reden zu bringen. Dem Wind in meinem Ohr hatte Jecks Stimme nicht gefallen, und er hatte sich vorerst wieder in meiner Erinnerung versteckt. »Sie heißt Penelope. Sie hat mir auch Wasser gegeben. Ich gebe dir etwas davon ab, wenn du mit mir sprichst.«
Überraschung huschte über sein bärtiges Gesicht, und der kräftige Mann, der da unter seiner Segeltuchdecke kauerte, sah
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