Die gesandte der Köingin Tess 2
von euch beiden!«
Jeck setzte eine selbstsichere Miene auf, die mich ärgerte. Hinter seinem frisch gestutzten Bart wirkte sein ironischer Gesichtsausdruck ebenso verstimmt wie belustigt. »Eure Schülerin hat anscheinend etwas zu sagen. Ihr solltet sie lehren, was sich gehört.«
Ich wandte mich ihm zu, mit erhitzten Wangen und wackeligen Knien. »Und das wäre, Hauptmann?«
Kavenlow setzte sich wieder hin. Seine Bewegungen waren immer noch hastig vor Anspannung. »Tess ist ganz offiziell eine Prinzessin. Damit steht sie im Rang höher als wir beide zusammen. Ihr tätet gut daran, diesen Aspekt ihrer Persönlichkeit ebenso ernst zu nehmen wie ihre Lehre bei mir. Wenn nicht noch ernster.«
Jeck zog kaum merklich die Augenbrauen hoch. »Ich bitte um Verzeihung. Ich bin davon ausgegangen, dass sie, sofern es Angelegenheiten des Spiels betrifft, ausschließlich als Lehrling zu betrachten sei.«
Meine Beine zitterten, und ich wunderte mich, warum der Wind in meinem Kopf meinen Zustand nicht ausnutzte, doch obwohl das freigesetzte Gift in meiner Schulter schmerzte und mir die Beine schwächte, war kein Flüstern, kein Kichern zu hören. »Ich bin immer eine Prinzessin von Costenopolis. So wie Ihr ein Misdever Hauptmann seid«, sagte ich und hörte, wie meine Stimme bebte.
Er nickte, trank einen Schluck Wein und fand sich damit ab.
Von ferne waren leise Schritte zu hören. Kavenlow warf mir einen Blick zu, mit dem er mir wortlos zu verstehen gab, dass ich mich setzen sollte. »Noch etwas Wein, Hauptmann?«, fragte Kavenlow, als ich gehorchte. Das war das vereinbarte Stichwort dafür, das Thema zu wechseln, weil auch vertrauliche Gespräche hier im Palast ständig unterbrochen wurden.
»Nein, danke.« Er legte die Hand auf das Glas, das er kaum angerührt hatte.
Wir alle wandten uns um, als der Hauptmann von Contessas Garde eintrat und erst mich und dann Kavenlow ansah. Mein Herz verkrampfte sich. Irgendetwas war geschehen.
»Prinzessin, Kanzler, Hauptmann«, grüßte er höflich. Seine Miene wirkte verwundert, aber erfreut. »Äh … Duncan ist hier.«
22
Gleitende Seide flüsterte leise, als ich aufstand, beinahe ohne zu bemerken, dass ich mich überhaupt bewegte. Mein Herz klopfte, und ich stützte mich mit einer Hand auf dem Tisch ab, bis der Schwindel nachließ, den frisch in meine Adern gepumptes Gift hervorrief. »Duncan«, wiederholte ich angespannt. »Wo ist er?«
»Im Audienzsaal, Euer Hoheit.« Resh war nun nicht mehr so zögerlich wie am Vormittag.
Ich raffte die Röcke und lief so schnell in den Bankettsaal, dass ich auf den glatten Stiefelsohlen ein wenig rutschte.
»Euer Hoheit!«, protestierte der Gardehauptmann.
Schwach hörte ich hinter mir Kavenlows Stimme. »Lasst sie gehen. Sie kann schon auf sich selbst aufpassen.«
Hoffnung beflügelte mich, und ich rannte beinahe den von Fackeln erhellten Flur entlang. Prinzessin hin oder her, ich konnte mir das erlauben. Ich war mein ganzes Leben lang durch diese Flure gerannt. Die Bediensteten waren es gewohnt, mich mit flatterndem Kleid vorbeisausen zu sehen, eine Hand am Kopf, damit der Haarknoten nicht auseinanderfiel. Als Gardist würde wohl auch Jeck damit durchkommen, über Flure zu rennen, aber er musste bei Kavenlow bleiben, und Kavenlow hielt ein geziemenderes Tempo ein – für gewöhnlich.
Rutschend hastete ich um eine Ecke. Am Ende des Flurs lag der große Audienzsaal, den ich nicht einsehen konnte, bis auf ein Stückchen vom Fliesenboden und der Wand dahinter. Ich rannte darauf zu und blieb im offenen, bogenförmigen Eingang stehen.
Duncan hatte meine Schritte offenbar gehört und sich von dem Kamin neben dem Podest abgewandt, vor dem er gehockt hatte. Ein Gardist war bei ihm, und die beiden unterhielten sich leise. Duncans Augen leuchteten, als er mich sah, er richtete sich auf und streckte mir lächelnd die Hände entgegen.
»Duncan!« Ich konnte kaum weitergehen vor lauter Erleichterung. Den Blick auf die abgerissene Gestalt geheftet, sagte ich atemlos zu dem Gardisten: »Lass uns allein.«
»Euer Hoheit«, entgegnete der Mann in der grün-goldenen Costenopolier Uniform. Er lachte beinahe, als er auf dem Absatz kehrtmachte und flott hinausmarschierte. Die Palastwachen – vor allem die jüngeren – mochten Duncan. Und sie wussten, dass auch ich ihn mochte.
»Tess«, flüsterte Duncan, und ich durchquerte nun mit raschen Schritten den großen Raum. Er nahm meine Hände und zog mich an sich. Es war mir gleich, ob
Weitere Kostenlose Bücher