Die gesandte der Köingin Tess 2
keine Spielerin mehr sein, und ich würde Kavenlow nicht zwingen, mich fortzuschicken. Das wusste er so gut wie ich. Duncan jedoch hatte ein trotziges Funkeln in den Augen, das mich nicht überraschte. Ich war mir oft wie ein Zankapfel zwischen den beiden vorgekommen. Dieser letzte Kuss hatte Duncan offenbar gesagt, dass er endlich gesiegt hatte. Und Kavenlow hatte es auch gesehen.
Warum fühle ich mich dann so elend?
»Duncan«, platzte ich heraus und wandte mich ihm wieder zu. »Wir waren gerade beim Abendessen. Hast du Hunger? Komm, setz dich zu uns, dann kannst du uns alles erzählen, während du etwas isst.«
Ich ging einen Schritt auf den Flur zu, und meine Hand entglitt der seinen, denn er blieb reglos vor dem Kamin stehen. Duncan senkte kurz den Kopf. Als er wieder aufblickte, lagen Kummer und Sorge in seinen braunen Augen. »Ich kann nicht bleiben«, sagte er leise.
Plötzlich begriff ich und hob unwillkürlich eine Hand an meine Schulter. »Du bist nicht entkommen. Sie haben dich hergeschickt«, flüsterte ich. »Du bist hier, um uns zu sagen, wo wir das Geld hinbringen sollen.«
Er nickte, und sein längliches Gesicht wirkte unglücklich. »Sie wussten, dass die Gardisten mich erkennen würden, und meinten, ich würde zumindest lebendig in den Palast kommen. Nicht, dass ihnen an meinem Leben etwas läge«, brummte er und scharrte mit den Füßen auf dem Boden. »Ich glaube, sie würden mich ebenso gern tot sehen, aber wenn ihr mich töten würdet, hätten sie einen Vorwand dafür, Contessa oder Alex etwas anzutun.«
»Wir werden dich doch nicht töten!«, rief ich und nahm seine Hände in meine. »Duncan, musst du wirklich gehen?«
Lange Fransen verbargen seine Augen. »Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass es so kommt.«
Kavenlow eilte mit klappernden Stiefeln herbei und blieb neben mir stehen. »Dir bleibt noch mindestens eine Stunde. Setzen wir uns. Wie geht es Königin Contessa und Prinz Alex? Sind sie wohlauf?«
»Es geht ihnen gut.«
Gut? Was soll das heißen, gut? Kann er denn nicht ein bisschen ausführlicher werden?
Ungeduldig ließ ich Duncans Finger los, als er meine Hand drückte. Dann folgte er Kavenlow zu dem kleinen Arrangement aus Stühlen und Kissen vor dem Kamin an der linken Seite des offiziellen Podiums. Meine Eltern hatten es meist vorgezogen, in diesem gemütlicheren Rahmen Hof zu halten, eine Tradition, die die bescheidene Contessa ebenfalls lieb gewonnen hatte.
Duncan nahm mich am Arm und zog mich hinter Kavenlow und Jeck her. Ich setzte mich auf den langen Diwan vor dem Kamin statt an meinen Lieblingsplatz ganz hinten, weit abseits. Jeck ließ den schwarzen Hut mit den geschwungenen Federn auf den ovalen Tisch fallen, ehe er sich hinkniete und Holz nachlegte. Ein Bediensteter eilte herbei, und Kavenlow entließ ihn mit einem Wink, damit wir uns ungestört unterhalten konnten, ohne Tratsch befürchten zu müssen. Kavenlow setzte sich zwischen das Feuer und den niedrigen Tisch, so dass er sowohl mich als auch Jeck sehen konnte. Dann verschränkte er die Hände im Rücken und wartete, bis der Saal leer war, ehe er Duncan zunickte.
»Es ging ihnen gut, als ich sie zuletzt gesehen habe«, sagte er leise, weil er sehr wohl wusste, wie weit Stimmen trugen und wie gern Diener sich in Türnischen herumdrückten, denn meist lauschte er mit ihnen. »Allerdings waren die Männer schon so weit, dass sie Contessa kielholen wollten, wenn sie nicht von Bord geschafft worden wäre.«
Jeck, der in seinen Stiefeln und der Misdever Uniform immer noch vor dem Kamin kniete, blickte über die Schulter zu Duncan auf. »Sie haben die Mannschaft aufgeteilt?«, fragte er, und seine Stimme schien in mir zu grollen wie ein Echo. Es lag mehr als nur die Andeutung einer Drohung darin, und ich unterdrückte ein Schaudern.
Duncan beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. »An Bord der Kellys Saphir sind nur so viele Leute, wie zum Segeln nötig sind. Alle anderen sind irgendwo südlich der Hauptstadt, zwischen hier und Saltolz, mit Contessa und Alex.«
Jeck, der eben einen Scheit nachlegen wollte, zögerte. Er ließ ihn fallen, so dass Funken aufstoben, stand auf und drehte sich um. In seinem Lederwams sah er gefährlich und finster aus. »Wo?«
Mit besorgt zusammengekniffenen Augen strich Duncan sich über das glatt rasierte Kinn. »Ich weiß es nicht genau«, sagte er, und sein Zeigefinger rieb nervös den Daumen. »So weit trauen sie mir nicht.« Er wandte sich mir zu und sah in
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