Die gesandte der Köingin Tess 2
sie den anderen ebenfalls töten und dir beide Köpfe schicken.«
Es drehte mir den Magen um, und ich bekam keine Luft mehr. »Ich mache das«, sagte ich rasch. »Ich fahre den Wagen.« Kribbelnd strömte Gift durch meinen Körper, von meinem hämmernden Herzen ins Blut geschwemmt. Kein Windhauch regte sich in meinem Kopf oder außerhalb der Mauern. Ich war zu verängstigt, um mich zu fragen, warum.
Kavenlow beobachtete mich mit ausdrucksloser Miene über die Karte hinweg. »Nein«, erklärte er bestimmt. »Wir werden sie finden, solange die Piraten noch von der Aussicht auf ein Lösegeld abgelenkt sind, und sie befreien.«
»Ganz Eurer Meinung«, sagte Jeck. »Wir können anstelle des Geldes Männer in den Wagen stecken.«
»Ich fahre den Wagen«, wiederholte ich lauter, und Kavenlow runzelte die Stirn. »Und es wird Geld darin sein.«
»Tess«, sagte Kavenlow, und der gereizte Ton in seiner Stimme ließ meine Angst kribbeln. »Wir wissen, wo sie sind. Wir holen sie zurück. Wir können den Piraten nicht geben, was sie wollen. Das würde nur weitere Entführungsversuche herausfordern. Das weißt du doch.«
»Wir holen uns das Geld zurück, wenn meine Schwester in Sicherheit ist«, erwiderte ich, und meine Knie wurden weich. »Du weißt ja nicht einmal genau, ob sie dort sind. Duncan hat sie nicht mehr gesehen, seit sie gestern abgesetzt wurden. Sie könnten inzwischen sonstwo sein, sogar hier in der Hauptstadt. Und warum sollten sie Duncan zu uns schicken, obwohl sie befürchten müssen, dass er uns alles erzählen könnte, was er weiß? Wenn du Soldaten an diesem Fluss oder entlang der Straße aufmarschieren lässt, wirst du nichts finden. Und dann bringen sie meine Schwester um, weil wir versucht haben, sie zu retten!«
Jeck trat einen halben Schritt zurück und bedachte Kavenlow mit einem entschieden höhnischen Blick. Kavenlows Stirnrunzeln vertiefte sich. »Tess«, warnte er, »das reicht jetzt.«
»Es reicht nicht!«, rief ich aus, und die Angst machte mich verwegen. »Ich werde nicht hier sitzen und mir anhören, wie ihr beide Pläne schmiedet, wenn wir nichts weiter tun müssen, als ihnen das verdammte Geld zu geben, um die beiden zurückzubekommen. Wir sprechen hier über das Leben meiner Schwester, nicht irgendein albernes Spiel!«
»Tess!«, donnerte Kavenlow. »Setz dich hin!«
Mir stockte der Atem, und ich merkte erst jetzt, dass ich aufgestanden war. Duncan starrte mich an, und Jeck lehnte mit hochgezogenen Augenbrauen am Kaminsims. Er sah genüsslich zu, wie ich das Spiel meines Meisters kritisierte, und fragte sich vermutlich, wie Kavenlow eigentlich seine Spielfiguren kontrollieren wollte, wenn er nicht einmal seinen Lehrling im Griff hatte. Ich biss die Zähne zusammen und weigerte mich, mich für mein Verhalten zu schämen.
»Hinsetzen«, wiederholte Kavenlow grob mit finsterer Miene und zeigte auf den Diwan.
»Wenn ihr mich entschuldigen würdet«, sagte ich unvermittelt. »Ich brauche ein wenig frische Luft.«
Aufgewühlt und zornig raffte ich die Röcke und richtete den Blick fest auf einen dunklen Bogengang. Duncan erhob sich mit mir, und Jeck stieß sich vom Kaminsims ab. Wenn Kavenlow nicht schon gestanden hätte, wäre er vermutlich sitzen geblieben – als stummer Vorwurf, weil ich mich nicht wie eine wirkliche Dame benommen und ihn angeschrien hatte. Ich ignorierte sie alle und ging auf den Durchgang zu, der hinaus in die Gärten führte.
»Ich muss zurück«, erklärte Duncan, und ich hörte, wie er mir nachlief. »Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß, Kavenlow. Sie wollen eine Antwort. Was soll ich ihnen sagen?«
Ich blieb im Durchgang stehen, drehte mich um und sah, dass Kavenlow sich bereits wieder über die Karte beugte. Jeck hingegen beobachtete mich, was mir gar nicht gefiel. »Sag ihnen, dass wir tun werden, was sie verlangen, aber auf dem Wagen werden sie nur Sand finden«, antwortete Kavenlow, und mir drehte es das Herz im Leibe um. Er hatte Kapitän Rylan gesagt, dass wir das Lösegeld bezahlen würden.
Duncan zögerte, und als Kavenlow kein weiteres Wort mehr sagte, wandte er sich ab und kam mir nach. Sein Kopf war vor Kummer gesenkt, und seine Schritte wirkten unentschlossen. Es schnürte mir die Kehle zu, als er in einer vertrauten Geste den Arm um meine Taille legte, und gemeinsam gingen wir den von Fackeln erleuchteten Flur entlang.
Sobald ich glaubte, dass wir außer Hörweite waren, verlangsamte ich meinen Schritt und blieb neben einem Fenster
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