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Die gesandte der Köingin Tess 2

Die gesandte der Köingin Tess 2

Titel: Die gesandte der Köingin Tess 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cook
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das Leuchten war aus seinen Augen verschwunden. Er zog das letzte Säckchen zu sich heran und ächzte, als das schwere Gewicht ihm die Arme herunterriss. »Leb wohl, Tess.«
    Mir blieb der Mund offen stehen. Er wankte mit dem Geld davon, und ich streckte die Hand nach ihm aus, ließ sie jedoch wieder sinken. »Duncan …«, stammelte ich. »Lass mich doch allen auf Wiedersehen sagen, dann können wir zusammen fortgehen.«
    »Ich sage nie auf Wiedersehen.« Die roten Stiefel tief im Matsch, schleuderte er den Sack in den Bug. »Wenn du jetzt nicht mit mir kommst, wirst du mich nie wiedersehen.«
    Seine Worte verschlugen mir den Atem. Ich sah die Truhen voller Gewürze an, die auf dem Wagen zurückgeblieben waren, dann wieder ihn. »Duncan, ich kann nicht einfach gehen!«, flehte ich, doch er setzte unbeeindruckt einen Fuß auf den Bootsrand. Mit hervorstehenden Muskeln schob er das Boot vom Ufer weg und hinterließ eine tiefe Furche, die sich sogleich mit dunklem, öligem Wasser füllte. Er sprang im letzten Moment hinterher und stieß das Boot damit noch weiter in den Fluss hinaus. Das Wasser spritzte auf und drohte das Boot zu verschlucken, ehe es sich wieder beruhigte.
    »Wo ist meine Schwester?«, rief ich und rannte zum Ufer.
    »Stromaufwärts«, antwortete er, und die Ruder klapperten laut. Er wich meinem Blick aus. »In einer Hütte. Wir wären ein großartiges Paar gewesen, Tess. Ich wünschte, du hättest ja gesagt.«
    Verblüfft stand ich vor dem Wagen mit meinen Pferden und sah zu, wie er mit der hinausströmenden Ebbe flussabwärts davonruderte. Der Wind zerrte an mir, schwoll an und verebbte, während ich mich bemühte, sowohl ihn als auch meine chaotischen Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Höhnisch gekicherte Lügen hallten in meinem Kopf wider. Ich konnte nicht glauben, was eben geschehen war, und strich mir das Haar aus dem Gesicht. Erst jetzt bemerkte ich, dass es tränennass war.
    Er war fortgegangen. Ich konnte es nicht begreifen. Er hatte mich gebeten, mit ihm zu gehen, und als ich ihn gebeten hatte, ein wenig zu warten, war er einfach davongerudert.
     

 
    25
     
    Das Zugpferd wieherte nervös, als ich die Zügel um das halb verrottete Geländer schlang. Ich rieb der Stute mit einer kalten Hand das knochige Gesicht, um sie zu beruhigen, doch sie spürte meine Nervosität und ließ sich nicht besänftigen. Ich tätschelte sie ein letztes Mal und trat zurück. Jeder Teil von mir lauschte angespannt nach dem geringsten Geräusch, das aus der halb verfallenen Hütte kommen könnte.
    Das verlassene Häuschen hatte ein Vordach über die gesamte Breite. Es hing an einer Stelle über dem Tidefluss, die einst malerisch gewesen sein mochte, jetzt aber gefährlich aussah. Auf der anderen Seite war der Kamin nach außen gekippt und hatte ein klaffendes Loch in der Wand hinterlassen. Büsche wucherten in der Öffnung und streckten sich von den fauligen Wänden der Sonne entgegen.
    Ich strich mein zerlumptes Kleid glatt und ging auf die drei Stufen vor dem Haus zu. Die erste fehlte ganz. Duncans Verhalten war mir immer noch rätselhaft. Ich hätte zumindest wütend auf ihn sein können, wenn ich seine Handlungsweise nur verstanden hätte. Mit einer seltsamen Mischung aus Verwirrung und Hoffnung schlich ich vorsichtig von den Stufen zur Tür und überlegte, ob ich nach Contessa rufen sollte oder nicht.
    Ein Brett drohte unter mir nachzugeben, und ich sprang hastig auf ein anderes. Es gab ein lautes Knirschen und Poltern, ein Pferd wieherte, erschrocken über meine wild rudernden Arme, und von drinnen war das Lachen einer Männerstimme zu hören. Angst brannte in meinen Eingeweiden. Duncan hatte das Lösegeld zum Schiff gebracht, und die Piraten waren nur noch durch ihre Ehre an ihren Teil der Abmachung gebunden. Und unter Dieben konnte man nicht viel Ehre erwarten.
    »Duncan, mein Junge!«, rief Kapitän Rylan glucksend von drinnen. »Du hast dich selbst übertroffen. Was hast du getan? Hast du nicht nur ihr Herz, sondern auch noch ihr Pferd gestohlen?«
    Ich packte mit einer Hand meine Röcke, tastete mit der anderen nach den Griffen der drei Messer in meinem Gürtel und lockerte die Bullenpeitsche um meine Taille. Ohne zu wissen, was mich erwartete, trat ich in die offene Tür und schaute in das verfallene Häuschen hinein.
    Das Licht, das durch die löchrige Decke fiel, war grün und trüb von den Baumkronen darüber. Abgebrochene Deckenteile lagen herum, und dürre Schößlinge reckten sich zum Himmel.

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