Die gesandte der Köingin Tess 2
aufgezwungen wurde«, fuhr Alex fort.
Am Tisch herrschte Schweigen. Contessa errötete, und selbst ich war ob dieser Offenheit ein wenig verlegen, über uns waren laute Rufe zu hören, gefolgt vom Trampeln nackter Füße, denn die Besatzung hatte offenbar irgendeine neue Belustigung gefunden und rannte über das Deck. Als ich mich Jeck zuwandte, war seine Miene ausdruckslos und verschlossen.
»Da, seht ihr?«, unterbrach Kapitän Rylan das peinliche Schweigen mit einer Stimme, die überraschend laut klang für einen so kleinen Mann. »Romantik, sogar in einer arrangierten Ehe.«
Smitty war endlich mit seinem Mahl fertig und schob den Teller von sich. Er wischte sich die Hände an der Hose ab und sah Kapitän Rylan aufmerksam und erwartungsvoll an.
Contessa erhob sich abrupt und mit einem zutiefst bekümmerten Ausdruck auf dem Gesicht. Sofort sprangen die Herren auf, und auch Smitty erhob sich, langsam und als Letzter. Je mehr ich von dem Mann sah, desto weniger mochte ich ihn, obwohl er während des ganzen Abends kaum drei Worte mit irgendjemandem gesprochen hatte.
»Bitte entschuldigt mich«, sagte Contessa kläglich. »Ich brauche ein wenig frische Luft, meine Herren.«
Ich rutschte an den Rand der Bank und raffte im Aufstehen die Röcke. »Ich begleite Euch.«
»Nein, bitte, wenn Ihr gestattet?« Kapitän Rylan streckte ihr galant den Arm hin. »Es wäre mir eine Ehre, Euch an Deck zu begleiten. Erlaubt mir diese kleine Geste, um mich für Eure Gastfreundschaft zu bedanken.«
Ich fragte mich, ob es klug war, gerade jetzt an Deck zu gehen, denn das Gebrüll, das durch die Decke drang, wurde immer lauter, drängender. Ich hörte das Wort Feuer heraus und erstarrte.
Mein Blick schoss zu Jeck, und mein Herz begann zu hämmern. Das Schiff brennt?
Jeck blieb ruhig und starrte zur Decke auf, als könnte er durch sie hindurchsehen. »Wir haben Feuer an Bord«, sagte er leise. Ich folgte seinem Blick zu der erloschenen Kerze – der duftende Rauch hatte den Geruch von brennendem Teer und Tauen überdeckt.
Polternde Stiefelschritte an der offenen Luke ließen alle herumfahren. »Kapitän!«, stammelte ein hektischer Seemann, während er halb die Treppe herunterfiel. »Feuer. Am Bug!«
Kapitän Borlett stürzte zur Luke und rüttelte damit alle anderen auf. Jeck war schon halb die Treppe hinauf, ehe ich auch nur nach dem Geländer gegriffen hatte. Mit pochendem Herzen nahm ich Contessa fest beim Ellbogen und half ihr hinaus. Nun konnte ich den beißenden Geruch von brennendem Teer trotz der Kerze riechen. Himmel hilf. Wir brennen.
Contessa rutschte auf der Treppe aus. Alex erschien wie aus dem Nichts, packte ihren anderen Ellbogen und fing ihren Sturz ab. Jeck stand bereits oben an Deck, den Blick auf den Bug gerichtet, während er einem nach dem anderen aus der Luke half, damit wir schneller vorankamen.
Ich folgte Contessa hinauf in die schwarze Nacht. Sogleich traf mich der kühle Wind, und das Schaukeln des Decks kam mir heftiger vor. Ich hielt mir das Haar aus den Augen, starrte in die Dunkelheit und suchte unter den hektisch durcheinanderlaufenden Matrosen nach Duncan. Ein schwerer, schmieriger Geruch schnürte mir die Kehle zu – halb verbranntes Öl erweckte in mir den Eindruck, als brenne die Nacht selbst.
Mein Blick schoss zum Bug, wo ein kleines Feuer orangerote Schatten an die Reling warf. Als der schneidende Wind durch mein dünnes Kleid drang, kühlte auch meine erste Panik ab.
Der Aufregung des blassen Seemanns nach hatte ich erwartet, die Takelage in Flammen und das halbe Schiff abgebrannt zu sehen. Stattdessen entdeckte ich einen kleinen orangeroten Fleck an der Stelle, wo die Buglaterne gehangen hatte. Die anderen Schiffe hatten den Brand ebenfalls entdeckt: Die Männer drängten sich an der Reling und riefen aufgeregt herüber. Hinter ihnen ragte die Insel als tiefschwarzer Schemen vor der dunklen Wolkennacht auf. Sie war der einzige feste Punkt in dieser bewegten Welt. Die Strandläufer hob und senkte sich auf den Wellen im Windschatten der Insel. Ganz in der Nähe waren die Lichter der beiden Kriegsschiffe zu sehen, und Kapitän Rylans kleineres Schiff, anscheinend von einem halben Dutzend Fackeln erhellt.
Kapitän Borletts stämmige Gestalt wurde von dem orangeroten Licht eingerahmt. Ich erkannte Duncans schlaksige Silhouette neben ihm. Die Besatzung hatte sich halbwegs organisiert und begann, das Feuer mit Lumpen auszuschlagen. Zwei Männer warfen leere Säcke aus der vorderen Ladeluke
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