Die gesandte der Köingin Tess 2
Großkatze in meinen Adern würde sie besonders stark sein. Vielleicht stark genug.
Ich schloss die Augen und richtete mich auf. Ich beruhigte meinen Geist und sandte mein Bewusstsein vorsichtig in den hintersten Teil meiner Gedanken, wo sich meine Magie langsam aufbaute, von meinem restlichen Geist abgeschirmt, damit sie mich nicht umbrachte. Den Geist eines wilden Tieres zu erreichen, war bestenfalls schwierig. Ich konnte Jy deshalb so gut manipulieren, weil ich ihm so vertraut war und er mich für seine Leitstute hielt. Der Punta jedoch, zu dessen Körper das Gift ganz natürlich gehörte, würde gegen alles außer einem besonders starken Impuls immun sein, so wie ich immun gegen die geistige Manipulation durch rivalisierende Spieler war – bis zu einem gewissen Grad.
»Nun kämpf schon!«, rief ein Pirat herunter. »Ich habe meine Chance auf dich nicht aufgegeben, um zuzuschauen, wie du da unten verhungerst!«
Das Geräusch von rieselndem Sand ließ mich die Augen öffnen. Sie versuchten, die Katze anzustacheln. Ein wenig desorientiert sandte ich meine Gedanken nach der Katze aus und hoffte, ich würde sie zwischen den aggressiven Emotionen der Seeleute ausmachen können. Ich fuhr innerlich zusammen, als ich feststellte, dass die Katze ihrerseits nach mir suchte.
Ich war so erschrocken, dass ich nach Luft schnappte und schauderte. Die Zeit schien sich zu verlangsamen, mein Blut blieb stehen. Mein Herz schlug nur ein Mal, ein langsame Bewegung eines großen Muskels, so klar und ruhig wie ein Seufzen. Mein Blick war auf die Katze fixiert, und plötzlich glomm das tote Blau ihrer Augen auf wie von einem inneren Feuer, das nur ich allein sehen konnte.
Der Schock der Verbindung floss zu mir zurück, stieß meine Seele an und hallte bebend meine Wirbelsäule hinauf. Plötzlich sah ich die Katze in ihrer eigenen Wahrnehmung: eine Macht, so frei, dass sie gar nichts anderes begreifen konnte – ungezähmt, gefangen, beleidigt, angekettet, machtvoll, tödlich, aber ohne zu wissen, was das bedeutete, oder gar an Rechtfertigung zu denken.
Mein Herz schlug erneut – eine einzelne, langsame Kontraktion –, und meine Gedanken wurden verschlungen. Jetzt überfluteten ihre Gefühle mich, und wir flossen zu einem Gemisch zusammen, das den stärksten Geist an seinem Verstand hätte zweifeln lassen. Wut, reine, ehrliche Wut durchströmte mich. In den tiefsten Tiefen meines Geistes, noch tiefer, als selbst die Erinnerung der menschlichen Art reichen mochte, spürte ich schwach meine eigenen Emotionen: Angst vor der Zukunft, den Willen zu überleben und den wachsenden Drang zu entkommen. Doch mein Verlangen war nicht mehr meins allein. Die Katze spürte es auch.
Wieder schlug mein Herz. Mein Körper sackte wie unter Schock zusammen. Ich sah mich selbst an der Wand lehnen. Ich kam mir größer vor, als ich tatsächlich war, eine Quelle von Lärm und Angst, etwas, das ich nicht verstehen konnte. Ich wollte es nur noch los sein. Wenn ich mich dazu überwinden könnte, näher heranzugehen … wenn ich meine Zähne hineinschlagen könnte, würde es aufhören, sich zu bewegen. Warum?, dachte ich. Warum geht es nicht einfach weg?
Ein vierter Schlag meines Herzens, und ich rang nach Luft und fand mich in mir selbst wieder. Der Punta stand geduckt da, schüttelte den Kopf, biss in die Luft und brüllte in seiner Unfähigkeit zu verstehen.
Der Lärm der Männer über uns, die glaubten, er werde gleich angreifen, brandete wie eine Welle zu uns herab. Ich konnte seine Verwirrung nun so deutlich sehen, als hätte ich ihn vom Welpenalter an großgezogen. Ich duckte mich ob des Lärms, im selben Moment wie die Katze. Staunen und Angst gesellten sich zu meiner Verwunderung, als ich erkannte, was geschehen war. Wir hatten unsere Gefühle zu tief miteinander geteilt, für einen Augenblick sogar die Plätze getauscht.
Mein Herz raste. Was hatten wir getan? Die Katze jaulte vor Schmerz, und mir wurde klar, dass wir noch immer miteinander verbunden waren. Ich begriff, was geschehen war, hatte bewusst meine Gedanken und Gefühle wiederfinden und für mich einnehmen können. Die Katze hingegen trieb immer noch hilflos in diesem verrückten Gemisch, das einen um den Verstand bringen konnte. Das Glühen in ihren Augen sagte mir, dass sie kurz davorstand, daran zu zerbrechen. Die natürliche Angst des Puntas, noch vielfach verstärkt durch meine eigene, hatte ihn so weit getrieben, dass er seine Instinkte überwinden und mich angreifen
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