Die gesandte der Köingin Tess 2
hinabwarfen, um die Grube zu beleuchten. Der Laut fuhr mir ins Herz, und ich schauderte.
»Macht Platz, macht Platz. Wie soll ich sie denn reinwerfen, wenn ihr mich nicht durchlasst?«, schimpfte der Kapitän, der sich durchdrängte und mich stolpernd hinter sich her zog. Duncan hatte sich direkt gegenüber einen Platz in der ersten Reihe erkämpft, so dass die von Fackeln erhellte Grube nun zwischen uns lag. Das Licht flackerte an den steilen Wänden, als täte sich vor mir der Höllenschlund auf. Ich sah an Duncans ausdrucksloser Miene, dass ich von ihm keine Hilfe zu erwarten hatte. Es würde keine Rettung geben. Dies war kein Plan, mir zur Flucht zu verhelfen. Er hatte mir nur einen würdevolleren Tod verschafft.
Panik breitete sich in meinen Eingeweiden aus und stieg mir in die Kehle. Ich wurde bleich, als ich erkannte, dass mir der Tod bevorstand. Als Duncan das sah, biss er die Zähne zusammen und trat noch ein Stück vor. »Ich setze meinen gesamten Anteil am Lösegeld darauf, dass sie überlebt«, rief er. »Aber dafür will ich sie haben. Wenn sie es überlebt, gehört sie mir.«
Ich hielt den Atem an, um nicht laut zu schluchzen. Selbst jetzt versuchte er noch, mir Hoffnung zu machen. Nicht viele hörten ihn, doch die Umstehenden lachten.
»Hast die Katze noch nie kämpfen sehen, was?«, bemerkte Smitty, und zum ersten Mal sah ich an dem säuerlichen Mann so etwas wie Belustigung. »Die Wette halte ich«, rief er Kapitän Rylan zu. Er zog eine reich verzierte Taschenuhr hervor und öffnete sie beinahe ehrfürchtig. »Sie wird’s nicht überleben«, fügte er hinzu. »Niemand überlebt die Katze. Nicht einmal Gilly, der arme Kerl. Bloß einen Kratzer, und schon lag er am Boden, zuckend und keuchend.«
Jemand stieß mich vorwärts. Der Sand unter meinen Füßen war kalt, und ein Hauch Hoffnung zog meinen Blick in die Grube hinab. Eine Katze? Eine Katze hatte einen Mann mit nur einem Kratzer getötet, er war in Krämpfe gefallen und gestorben? Hatten sie etwa einen Punta gefangen? Steckte tatsächlich ein Punta in der Grube, die sie ausgehoben hatten?
Doch kaum war die Hoffnung aufgekeimt, da erstarb sie schon wieder. Selbst wenn es ein Punta sein sollte, machte das keinen Unterschied. Ja, es war das Gift des Puntas, das die Spieler als Quelle ihrer Magie nutzten. Und ja, Kavenlow hatte meine angeborene Immunität so weit gesteigert, dass ich das Dreifache dessen vertrug, was jeden anderen töten würde. Aber die Menge an Gift, die ein Punta selbst abgab, überstieg sogar die Grenzen von Spielern. Er würde mich ebenso leicht töten wie sonst jemanden. Verängstigt spähte ich über den Rand der Grube, sah aber nichts.
»Die Katze zur Katze! Die Katze zur Katze!«, rief ein Mann, und zornige Stimmen fielen mit ein.
Mit hämmerndem Herzen streckte ich Smitty die gefesselten Hände hin. Er schien mehr über das Tier zu wissen als alle anderen und die Männer unauffällig zu führen, obwohl er nicht der Kapitän war. »Gebt meine Hände frei«, forderte ich. »Wenn ich kämpfen soll, müsst ihr mir erlauben, die Hände zu gebrauchen.«
Kapitän Rylan beäugte mich misstrauisch. »Wird das ihre Chancen nicht verbessern?«, fragte er.
»Nein.« Smitty zog einen Dolch aus seinem Gürtel. »Das bringt ihr keinen Schoh.«
Während die Männer johlten, durchtrennte Smitty meine Fesseln. Das Seil riss mit einem scharfen Schnappen, und mir entschlüpfte ein Stöhnen. Meine Hände fühlten sich an wie tot und kribbelten schmerzhaft. Smitty warf mir einen warnenden Blick zu, und ich schloss kurz die Augen, um mein Einverständnis zu zeigen. Ich würde niemanden angreifen, um mir eine Waffe zu verschaffen. Meine Hände waren noch nicht zu gebrauchen, und selbst wenn sie flink genug wären, um jemandem ein Messer zu entreißen, würden die Männer sofort über mich herfallen.
Mit zitternden Knien trat ich an den Rand der Grube. Der zerfetzte Saum meines Kleides hing schon darüber und verbarg meine nackten Füße. Ich zitterte und spürte den kalten Wind, der vom Meer hereinwehte. Die Männer schrien und brüllten mit hässlich verzerrten Gesichtern. Bebend vor Angst spähte ich hinab und sah die Katze zum ersten Mal.
Sie war größer, als ich erwartet hatte, so groß wie mein Wolfshund zu Hause, mit kurzem, sandfarbenem Fell. Sie hatte sich an die Wand der Grube gedrückt, die Ohren flach angelegt und den kurzen Schwanz so gesträubt, dass er vermutlich doppelt so dick war wie normalerweise. Meine Gedanken
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