Die gesandte der Köingin Tess 2
vor allem an meinem erbärmlichen Zustand lag.
»Ich habe mich noch gar nicht dafür bedankt, dass du dich um mich gekümmert hast«, sagte Alex, dessen Stimme nun deutlich durch die stille Nachtluft zu mir drang.
»Psst«, machte sie. Der dunkelgraue Klumpen, der meine Schwester darstellte, regte sich nicht, sondern blieb tief in dem Windschutz liegen, den sie vorhin aufgebaut hatten. Da hatte ich zum ersten Mal erlebt, wie die beiden gemeinsam etwas taten, ohne darüber in Streit zu geraten. »Ich bin froh, dass es dir besser geht«, erklärte sie. »Als deine Ehefrau ist es meine Pflicht, für dich zu sorgen.«
»Nein, ist es nicht«, protestierte er. »Eine Königin sollte keine Kranken pflegen.«
Nun regte sich ihr Schatten. »Ich habe den Nonnen dabei geholfen, die Kranken zu heilen. Also denke ich mir nichts dabei. Und das solltest du auch nicht.«
»Trotzdem danke ich dir.«
Ich schloss die Augen und wünschte, ich hätte mich weiter weggelegt. Kapitän Rylan hatte mir erlaubt, näher an Contessa heranzurücken, damit sie sich an Duncans Stelle um meine Wunden kümmern konnte. Der Tag war eine grässliche Mischung aus Zufriedenheit und Neid gewesen, weil ich mit angesehen hatte, wie Alex und Contessa auf so beengtem Raum miteinander umgingen. Ihre zögerliche Zurückhaltung verwandelte sich allmählich in schüchterne Nähe.
Wir alle waren an den Knöcheln gefesselt wie angepflockte Ziegen, seit ich mich wieder fortbewegen konnte – wenngleich meine Bewegungen noch frustrierend schmerzhaft und langsam waren. Alex hingegen ging es wesentlich besser. Er hatte heute eine Zeit lang mit einem Stück Treibholz anstelle eines Schwertes langsam und vorsichtig eine Position nach der anderen durchlaufen und sanft seine Muskeln gedehnt. Ein paar Piraten hatten zugesehen und ihn lachend verhöhnt, bis Smitty ihm mürrisch und missgelaunt den Stock weggenommen hatte.
Ich hatte festgestellt, dass Alex trotz seiner Misdever Herkunft ein guter Mann war – stolz, aber nicht arrogant, klug genug, um zu wissen, wann er den Mund halten und wann er sprechen sollte, bodenständig und realistisch. Er beklagte sich nie über die miserablen Umstände und das schlechte Essen, dabei war mir klar, dass er noch nie im Leben irgendetwas hatte entbehren müssen. So sehr ich mir wünschte, Contessa könne ihrem Herzen treu bleiben, erwischte ich mich doch bei dem Gedanken, dass sie eine Närrin wäre, die echte Ehe abzulehnen, die dieser Mann ihr anbot.
Ich riss die Augen auf, als das Rascheln von Sand an meine Ohren drangen. Ich rechnete mit einem betrunkenen Piraten, der kam, um uns zu quälen. Aber es war nur Alex, der sich aufgesetzt hatte. »Contessa?« Er erschien mir ungewöhnlich wach, beinahe unheimlich wach.
»Ja?«
»Als ich im Fieber lag … habe ich da irgendetwas gesagt?«
»Nein, Liebster«, flüsterte sie. »Nichts.«
Meine Augenbrauen hoben sich, sowohl der Lüge wegen als auch wegen des Wörtchens Liebster, und ich fragte mich, was der Grund für ihren Sinneswandel sein könnte. Der dünne Umriss ihres Arms ragte aus ihrer Silhouette hervor, und sie zog ihn zurück auf seine Decke. »Leg dich schlafen.«
»Ich habe seit vier Tagen nichts anderes getan, als zu schlafen«, sagte er, und sein Ton klang ungewöhnlich verdrießlich. »Ich habe es satt, immer nur zu schlafen.«
»Dann bleib liegen und wärme mich. Es ist kalt.«
Das war es nicht, denn die südliche Meeresströmung hielt die Insel wärmer, als man erwarten würde. Ich hielt die Augen offen, während meine Gedanken um die Frage kreisten, was das bedeuten könnte.
»Du bist zu gut zu mir«, hauchte er, und sein Schatten ließ sich neben ihr nieder.
»Du verdienst etwas Besseres«, kam ihre zögerliche Antwort. Ich schloss die Augen, als er sich vorbeugte wie zu einem Kuss. Oder vielleicht wollte er ihr auch nur etwas Vertrauliches ins Ohr flüstern. Jedenfalls wollte ich nicht dabei zusehen.
Ich muss eingeschlafen sein, denn als das nächste Rascheln im Sand mich weckte, so dass ich die Augen öffnete und mich unwillkürlich anspannte, glommen in der großen Feuerstelle nur noch Kohlen. Nichts rührte sich, und ich blieb still liegen. Meine verletzte Schulter begann zu jucken, und ich ignorierte sie und lauschte nach dem, was mich geweckt hatte. Falls uns jemand angreifen sollte, dann gewiss mitten in der tiefsten Nacht. Der Mond war weitergezogen: Er stand jetzt beinahe direkt über uns und tauchte die Lichtung in Silber und Schatten.
Schwach
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