Die gesandte der Köingin Tess 2
schon.«
»Deshalb weine ich nicht«, erwiderte ich und fühlte mich noch elender, als er vorsichtig den Arm um meine Taille legte. Ich hätte zu gern dem Drang nachgegeben, an seiner Schulter hemmungslos zu schluchzen, ihm zu sagen, dass ich selbst zornig über die Entscheidung war, die ich getroffen hatte, ihm zu erklären, weshalb ich sie getroffen hatte, und ihn um Verzeihung zu bitten, weil ich ein großes Reich ihm vorgezogen hatte. Er war der einzige Mensch, bei dem ich glaubte, mir nicht schwach oder albern vorkommen zu müssen, wenn ich zusammenbrach, und trotzdem brachte ich es nicht fertig. Wenn er bei mir blieb, würde er entweder vom Pfeil eines Rivalen niedergestreckt werden, oder ich würde mein Königreich opfern, um sein Leben zu retten. Und das Spiel bedeutete mir mehr als das Leben selbst.
»Du verstehst das nicht«, sagte ich gedämpft. »Wenn ich es nicht schaffe –«
»Nein«, unterbrach er mich. »Sag so etwas nicht. Du wirst es schaffen. Du hast einen ganzen Palast zurückerobert. Du kannst das.«
Schniefend hob ich den Kopf von seiner Schulter. »Ich hatte Unterstützung dabei«, entgegnete ich. »Schon vergessen?«
»Ich habe ein paar Schlösser geknackt, weil sie mich in Schellen gelegt hatten, was allein meine Schuld war.«
»Falls ich es nicht schaffen sollte«, unterbrach ich ihn, »wirst du sie dann sicher zu Kavenlow zurückbringen?«
»Nicht«, protestierte er, und ein ängstlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Kavenlow wird das Lösegeld bezahlen, und ihr werdet alle gemeinsam zurückkehren. Ich lasse nicht zu, dass dir etwas geschieht. Ich …« Er zögerte, und mir stockte der Atem. Ich konnte die liebevollen Worte, die ihm auf der Zunge lagen, in seinen schmalen, bekümmerten Augen sehen, und ich würde es wohl nicht überleben, sie von ihm zu hören.
»Duncan, nein«, brachte ich ihn hastig zum Schweigen. »Sag es nicht.« Ich hob die zitternde Hand und legte ihm die Fingerspitzen auf die Lippen. Er schloss die Augen und hob die Hand, um meine fortzuziehen.
»Ich will es aber«, flüsterte er und sah mir tief in die Augen.
Der Wind zupfte an den zu langen Strähnen, die ihm ins Gesicht hingen, und ich spürte, wie mir erneut die Tränen kamen. »Ich will das nicht hören«, sagte ich und riss den Blick von ihm los. »Nicht jetzt. Das ertrage ich nicht. Du bedeutest mir zu viel.«
»Aber …« Er holte zaudernd Luft, beugte sich vor und wischte mir die Tränen von der Wange. Staunen leuchtete aus seinen Augen, die in der Sonne sehr hell wirkten. »Ich dachte, du magst mich nicht. Ich dachte, du hältst mich für unter deiner Würde. Und sagst deshalb immer nein.«
»Du dachtest, ich hielte dich für unter meiner Würde?« wiederholte ich, und ein japsendes Schluchzen schüttelte mich unter aufflammenden Schmerzen. »Ich bin diejenige, die aus der Gosse gekauft wurde. Du hast zumindest einen Namen, der wirklich dir gehört und dir nicht aus … praktischen Gründen gegeben wurde.«
Er wirkte unendlich erleichtert. »Tess«, hauchte er, und die federleichte Berührung, mit der er mich in den Armen hielt, war eine Mischung aus Schutz und Zärtlichkeit. Ich fühlte mich deswegen nur noch erbärmlicher. »Du dummes, albernes Mädchen. Ich würde dir meinen Namen geben. Ich weiß, ich habe gesagt, ich würde ihn niemals jemandem geben, aber dir schon. Wenn du mich willst.«
Ich schloss die Augen. »Hör auf …«, flüsterte ich kaum hörbar, denn er brach mir das Herz. »Ich kann nicht, Duncan.«
Seine Arme bewegten sich nicht. Ich konnte das Meer an ihm riechen, und den Sand. »Warum?«
Mein Blick huschte zu Contessa hinüber. Er folgte ihm und sagte: »Nein. Du kannst dich nicht mehr mit deiner Schwester herausreden. Alex wird es überleben. Sieh dir die beiden an. Sie schafft das schon. Er kann ihr helfen, eine richtige Königin zu werden. Und ich lasse nicht zu, dass Kapitän Rylan dir etwas antut, also behaupte nicht, es läge daran, dass du vermutlich nicht überleben wirst.«
»Contessa hat nicht das geschrieben, was ich Kapitän Rylan erzählt habe«, erwiderte ich, denn ich würde mich auf alles stürzen, um ihm nicht die Wahrheit sagen zu müssen. »Sie hat Kavenlow befohlen, kein Lösegeld zu zahlen, und ihm gesagt, dass wir in ein paar Tagen etwa eine Tagesreise von der Hauptstadt entfernt sein würden. Er wird versuchen, uns zu befreien, denn so lautet ihr Befehl, also wird er es tun, auch wenn ihm klar ist, dass wir alle dabei umkommen
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