Die gesandte der Köingin Tess 2
einfach?«
»Nein«, flüsterte ich und war froh, dass er es nicht vergessen hatte. »Aber woher wusstest du, dass es das gleiche Gift ist?«
Sein Blick begegnete ganz kurz dem meinen, und er kniff gegen die Sonne die Augen zusammen. »Ich wusste es nicht, bis gerade eben.«
Mein Magen schmerzte, und es wurde noch schlimmer, als mich neue Qual durchzuckte, weil er zu fest an dem Verband herumzerrte. »Lass das«, sagte ich schließlich. »Wenn du weiter so daran herumzupfst, werde ich das Wasser wieder von mir geben, das ich gerade getrunken habe.«
»Tut mir leid.« Er ließ die Hände sinken, und wir sahen einander schweigend an. »Meinst du, du könntest etwas Suppe bei dir behalten?«, fragte er schließlich schmeichelnd. »Du hast seit Tagen nichts gegessen, aber ich kann Essen und Wasser für dich bekommen … nun, da die Mannschaft glaubt, du hättest irgendeine spirituelle Verbindung zu Tieren.«
Ich habe seit Tagen nichts gegessen? Wie lange war ich denn bewusstlos?, überlegte ich, aber das Mitgefühl in seiner Stimme lenkte mich ab. Es musste schwer für ihn gewesen sein, als ich unter Deck gesessen hatte und er mir nicht einmal eine Brotkruste hatte zustecken können. Und noch schlimmer, dass er mir nicht hatte helfen können, als sie mich in diese Grube gestoßen hatten. »Ich habe gehört, was Kapitän Rylan gesagt hat – ehe ich aufgewacht bin«, sagte ich leise. »Er wird mich töten, sobald er die Gelegenheit dazu bekommt. Lüg mich nicht an, Duncan. Das ertrage ich nicht.«
Seine Hände legten sich sacht um meine und hielten sie still fest. Meine verletzte Schulter zwickte, doch ich hielt es aus, weil ich ihm nicht sagen wollte, dass er mir wehtat. Duncan betrachtete meine schmutzigen, mit Teer beschmierten kleinen Hände in seinen und rieb sacht meinen Daumen. »Das lasse ich nicht zu«, flüsterte er. »Und erst einmal bekommst du jetzt Essen und Wasser. Du wirst kräftiger werden, und dann fliehen wir.« Er hob den Blick und sah mich an. »Wir alle zusammen.«
Ich brachte es nicht über mich, ihm zu widersprechen, obwohl ich es für wahrscheinlicher hielt, dass wir alle sterben würden, ehe die Sonne ein zweites Mal aufging. Aber ich schob meine Verzweiflung beiseite und beobachtete, wie Contessa Alex gut zuredete, damit er sich aufsetzte. Sie könnten es schaffen, aber für mich würde es sehr viel schwerer werden, das hier zu überleben.
Ich konzentrierte mich auf meinen Atem und sah zu, wie Contessa Alex half. Die neue Zärtlichkeit zwischen den beiden war nicht zu übersehen und traf mich bis ins Mark. Als Königstochter war ich in dem stillschweigenden Wissen aufgewachsen, dass ich vermutlich eine lieblose Ehe eingehen würde, weil das Wohl des Königreichs lange vor dem meinen kam. Meine kurze Freude darüber, frei zu sein und nach der Liebe suchen zu dürfen, hatte ich wissentlich mit meinem eigenen Stiefel in den Staub getreten, als ich Kavenlows Angebot angenommen hatte, seine Nachfolgerin zu werden. Diesmal geschah es im Geheimen, aber wieder standen die Erfordernisse des Spiels über meinen Bedürfnissen.
Als ich sah, wie Contessa die Palmwedel so zurechtschob, dass Alex’ Schulter – und nur seine verletzte Schulter – in der Sonne lag, schwor ich mir, dass wenigstens sie die Chance haben sollte, glücklich zu werden. Ich konnte Duncans Leben nicht aufs Spiel setzen, indem ich ihn bat, bei mir zu bleiben. Er würde zur Zielscheibe für den Pfeil eines Attentäters werden, ein Hebel, mit dem man mich unter Druck setzen konnte. Ich wusste selbst, dass ich Costenopolis aufs Spiel setzen würde, um ihn zu retten, und als Spielerin konnte ich mir solche Liebesbande nicht leisten.
»Duncan?«, sagte ich ganz leise, damit meine Stimme nicht brach. Ich spürte, wie Tränen in mir aufstiegen, und hob die gesunde Hand, um sie wegzuwischen, weil ich sie verabscheute. Es war nicht fair. Ihm nicht sagen zu dürfen, warum ich ihn ständig abwies, kam mir vor wie ein gemeiner Verrat. Aber wenn ich es ihm sagte, würde er die Gefahr auf sich nehmen und bei mir bleiben, das wusste ich, und damit würde er uns beide ins Verderben stürzen.
»Ach, Tess«, flüsterte er, und der Sand zischelte leise, als er näher heranrückte. Sacht legte er mir die gefühllose rechte Hand in den Schoß und setzte sich so zurecht, dass seine Schulter an meiner guten Seite ruhte und ich vor dem Wind geschützt war. »Weine nicht«, sagte er und machte es damit nur noch schlimmer. »Wir schaffen das
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