Die gesandte der Köingin Tess 2
fortbringen.«
12
Jeck!«, fluchte ich gedämpft und fragte mich, wie lange er uns wohl schon belauscht hatte. »Wie … habt Ihr uns gefunden?«, stammelte ich, ehe mir einfiel, dass ich in meinem stark vergifteten Zustand in seinen Geist eingedrungen war und ihm den Weg gezeigt hatte.
Ich ließ die linke Hand von Contessas Mund sinken. Eine unangenehme Woge von Emotionen schlug über mir zusammen, als ich seinen großen Schatten aus dem Gebüsch treten sah: Verlegenheit ob meines erbärmlichen Zustands und der Tatsache, dass ich gerettet werden musste; Angst, denn ich wirkte schwach, und das könnte Jeck ausnützen; und Sorge, dass er ein besserer Spieler war als ich und ich das Spiel meines Meisters rettungslos verderben würde. Und auf alledem schwamm noch das Wissen, dass er mir das Leben gerettet hatte.
Mir gefielen diese Gefühle gar nicht, und dennoch war ich froh, ihn zu sehen. Die Strandläufer war in der Nähe. Freiheit.
Er machte eine winzige Kopfbewegung. »Hier entlang. Und seid still. Ihr macht mehr Lärm als Kinder mit Karamellen.«
Contessa erstarrte. »Hauptmann, Ihr vergesst Euch. So dürft Ihr mit meiner Schwester nicht sprechen.«
Jeck fuhr zusammen. Ich sah es an seiner Hutkrempe, die im Mondlicht schimmerte. »Ich bitte Eure Königliche Hoheit und Eure Hofdame um Verzeihung«, sagte er unterwürfig und so aufrichtig, dass mir der leichte Sarkasmus in seiner kleinen Verbeugung beinahe entgangen wäre. »Wenn die Damen mir jetzt bitte in aller gebotenen Eile und Stille in den Schatten folgen wollen, damit ich eure Fesseln durchschneiden kann?«
Contessa schnaubte leise, raffte die schmutzstarrenden Röcke und stapfte ihm nach, wenig würdevoll im weichen Sand. »Tess hat unsere Fesseln bereits durchtrennt, Hauptmann. Ganz so hilflos sind wir nicht.«
»Contessa?«, flüsterte ich und beeilte mich, ihr zu folgen. »Es ist allgemein üblich, dass eine Gerettete ihren Retter nicht schikaniert, sondern unbedachte Bemerkungen seinerseits in einem solchen Augenblick einfach hinunterschluckt.«
Ihr schmales Gesicht nahm im Mondschein einen besorgten Ausdruck an. »Oh …«
Metall blinkte, als Jeck seinen Dolch wegsteckte. »Ihr seid frei? Warum zum Teufel sitzt ihr dann noch hier herum?«
»Alex«, hauchte Contessa und wandte den Kopf nach ihrem Schlafplatz. »Wir müssen erst Alex befreien.«
Ein dunkler Umriss an einem Baumstamm bewegte sich. »Hier bin ich, Contessa«, sagte Alex aus der Dunkelheit heraus. und Contessa raffte die Röcke und schob sich an Jeck vorbei. Mit nicht zu übersehender Erleichterung blieb sie vor ihm stehen, und ihre weißen Röcke fielen wieder herab, als sie mit den Händen über seine Wunden strich, um sich zu vergewissern, dass durch die Anstrengung nichts aufgerissen war.
Ich folgte ihr, stolperte über eine Wurzel und fiel. Ich griff nach einem Baumstamm und schrammte mir die Handfläche daran auf. Schmerz raste durch mein rechtes Bein und prallte zurück in meine Schulter. Ich wartete keuchend, bis er abgeklungen war, und brachte kein Wort heraus. Jeck blieb stehen und blickte sich nach mir um. »Es geht schon«, sagte ich. »Habt Ihr Duncan geholt?«
»Euren Dieb? Nein. Er ist jetzt einer von denen.«
Contessa drehte sich um, in ihrem hellen Kleid gut zu erkennen. »Er tut nur so, damit er uns besser helfen kann.«
Meine Lippen teilten sich. Gerade eben hatte sie mir gesagt, dass sie ihm nicht traute. Unsere Blicke trafen sich im Mondlicht, und sie zuckte mit den Schultern. Während ich mich an dem Baum abstützte und darauf wartete, dass der Schmerz nachließ, drängte Jeck weiter voran. »Was wird aus Duncan?«, fragte ich mit zitternder Stimme.
Der Hauptmann der Misdever Garde blieb respektvoll vor Alex stehen, und der Prinz nahm Contessas Arm. »Wärt Ihr so freundlich, Königin Contessa zu dem Baum dort zu geleiten, Hoheit? Ich bin sofort wieder bei Euch und zeige Euch den Weg zum Schiff.«
Alex nickte. »Hier entlang, Contessa«, raunte er. »Pass auf die Wurzeln auf. Augenblick, deine Röcke, lass dir helfen – du hängst fest.«
Sie warf einen Blick zu mir zurück, als bräuchte sie meine Zustimmung. Dann ging sie mit Alex davon, wobei ihr Arm eher ihn stützte als umgekehrt.
Jeck wartete, bis ich hinkend zu ihm aufgeschlossen hatte. »Du hast ihr Herz für ihn erweicht?«, fragte er kaum hörbar. »Jetzt bin ich wirklich beeindruckt.«
Einen Moment lang konnte ich ihn nur mit offenem Mund anstarren. Ein zweites Kompliment?
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