Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
Vom Netzwerk:
minder grausamen Mitteln. Der Plan, die feindlichen Kräfte durch den Abnutzungskrieg doch noch niederzuzwingen, scheitert ebenso wie die von Schlieffen vorgesehene schnelle Offensive. Eine gigantische Materialschlacht findet statt: Riesige, kilometerweit tragende Kanonengeschütze, Maschinengewehre, Flugzeuge und Giftgas – das Arsenal des Krieges lässt keine Heldenkämpfe mehr zu. Der Soldat stirbt brutal und unheroisch. Seine Vorgesetzten sehen auch in ihm nur noch das Material, das sie ohne Rücksicht auf Verluste für den Sieg einsetzen. Der Wert eines Menschenlebens geht in diesem Krieg gegen Null.
    Die daheim gebliebenen Nationalisten feiern an der deutschen »Heimatfront« jeden noch so kleinsten Etappensieg mit neuen utopischen Friedensforderungen. Von den Niederlagen wird kaum geredet. Die Kriegsurlauber sitzen schweigend und traumatisiert an den Stammtischen, während die alten Herren die glorreichen Siege der Vergangenheit wieder aufleben lassen. Zu Hause bekommen die Deutschen die direkten Folgen des Krieges erst später zu spüren. Die englische Seeblockade führt ab 1916 zu einer rapiden Verschlechterung der Versorgungslage der Zivilbevölkerung. Jetzt hungern die Deutschen. Die berüchtigten Steckrübenwinter setzen ein, und das »Hamstern«, die Jagd nach Nahrungsmitteln beherrscht den Alltag. Zur Finanzierung des Krieges wird die Notenpresse in Gang gesetzt. Die Menschen zeichnen Kriegsanleihen. Ihr Geld und Gold geben die Bürger für Eisen hin, um das Vaterland zu unterstützen. Ein Volk glaubt trotz aller Einschränkungen und der immer länger werdenden Liste seiner Gefallenen an den Sieg. Und dann werde man für alle Opfer entschädigt werden und ein noch glanzvolleres Reich errichten. So steht es jedenfalls in den Zeitungen.
    Ähnlich ist bis 1917 die Stimmung in den Reichstagsparteien. Alle Fraktionen, auch viele Sozialdemokraten, sind vom Sieg überzeugt. Die Forderungen, die der geschlagene Feind zu erfüllen haben wird, nehmen in den Köpfen der meisten Deutschen schwindelerregende Dimensionen an. Die Schwerindustrie verlangt Frankreichs Erz- und Kohlegruben. Die belgischen Gebiete um Malmedy und Eupen sind längst fest einkalkuliert. Im Osten soll sich das Reich bis zur Ukraine ausdehnen, denn dort locken riesige, fruchtbare Getreidegebiete. Nichts scheint unmöglich.
    Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Die Verluste an der Westfront sind nur noch durch die Einberufung immer jüngerer Soldaten zu ersetzen. Die Industrie sieht sich mit kaum noch zu bewältigenden Rohstoffproblemen konfrontiert, und zwar nicht nur in den so genannten kriegswichtigen, da Waffen produzierenden |194| , sondern auch in den zivilen Betrieben. Die schlechte Versorgungslage beginnt auf die Stimmung in der Heimat zu drücken. Aus den Fabriken werden immer häufiger Proteste der schlecht ernährten Arbeiter gemeldet. Es kommt zu vereinzelten Streiks. Im Januar 1918 beunruhigen die Arbeitsniederlegungen der Munitionsarbeiter die militärische Führung.
    Der Kaiser ist seit Kriegsausbruch mehr und mehr in den Hintergrund getreten. Er resigniert angesichts des großen Sterbens an den Fronten und reduziert seine Aufgaben auf das Repräsentieren: Truppenbesuche, Durchhalteparolen und Festtagsreden. 1916 übernehmen die populären Sieger von Tannenberg, Hindenburg und Ludendorff, die Oberste Heeresleitung. Es ist vor allem Ludendorff, der jetzt die deutsche Politik kontrolliert. Reichskanzler Bethmann Hollweg wehrt sich gegen die Forderung der neuen Militärleitung, im Atlantik den zeitweise unterbrochenen »unbeschränkten« U-Boot-Krieg – der auch den Beschuss von Handelsschiffen neutraler Nationen einschließt – wieder aufzunehmen. Er weiß, dass dies den Kriegseintritt der USA zur Folge haben wird. Aber Ludendorff, der starke Mann in der Heeresspitze, setzt sich durch. Bethmann Hollweg stürzt und bis zum Ende des Krieges herrscht in Deutschland praktisch eine Militärdiktatur. Amerika erklärt Deutschland den Krieg.
    Paul von Hindenburg (1847–1934)
    Der Chef der Obersten Heeresleitung ist Monarchist und vom Geist des preußischen Militarismus geprägt. Geboren in Posen durchläuft Hindenburg alle klassischen Ausbildungs- und Karrierestationen eines Offiziers. Als Truppenführer zieht er in den deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Nach einer glänzenden militärischen Laufbahn als dienstältester General der deutschen Armee nimmt er 1911 seinen Abschied. Der Einmarsch der russischen Armeen in

Weitere Kostenlose Bücher