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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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errichten unter der Führung von Lenin und seinem Kampfgefährten Leo Trotzki eine Räterepublik. Sie mündet innerhalb weniger Wochen in eine Diktatur der Bolschewiki ein, die das Land in einem jahrelangen Krieg unter ihre Herrschaft bringen.
    Lenin fordert sofortige Friedensverhandlungen. Bei den Gesprächen in Brest-Litowsk stellen die Deutschen unmäßige Forderungen, die von der sowjetischen Regierung nach langen internen Diskussionen akzeptiert werden. Russland verliert Finnland, Kurland, Litauen, Polen und die Ukraine. Damit haben die Deutschen zwar im Osten den Rücken frei, aber ihr maßloses Verhalten gibt den Alliierten einen Vorgeschmack, was sie im Falle einer Niederlage erwartet. Der harte »Siegfrieden« von Brest-Litowsk stärkt ihren Willen, sich auf keine Kompromisse mit Deutschland einzulassen. Zudem strömen nun gewaltige Waffen und Truppentransporte über den Atlantik. Amerikas Eingreifen an der Westfront beginnt allmählich Wirkung zu zeigen. Denn im April 1917 sind die Vereinigten Staaten in den Krieg eingetreten.
    Der Krieg ist jetzt für Deutschland endgültig verloren. Im Reichstag dämmert dies nun auch einigen Abgeordneten. In einem auf Initiative des schwäbischen Zentrums-Abgeordneten Matthias Erzberger gegründeten Interfraktionellen Ausschuss arbeiten Sozialdemokraten, die liberale Fortschrittliche Volkspartei, das katholische Zentrum und zeitweise sogar die konservative Nationalliberale Partei zusammen, um einen Ausweg aus dem Desaster zu finden. Der Ausschuss ist ein erster Fingerzeig, dass das Parlament beginnt, sich von der autoritären |197| Reichsführung zu emanzipieren. Allerdings reicht es zunächst nur für die Ausarbeitung einer auf Verständigung ausgerichteten Friedensresolution, die von Ludendorff und der Militärführung postwendend abgelehnt wird. Die Entschlossenheit, sofort eine vom Parlament kontrollierte Regierung zu fordern, fehlt den Ausschussmitgliedern.
    In der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion vollzieht sich 1917 das, was sich beim Konflikt zu Kriegsbeginn schon andeutete: Ein linker Flügel spaltet sich ab. Die Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD), so nennt sich die neue Partei, verweigern im Reichstag ihre Zustimmung zu weiteren Kriegskrediten. Hugo Haase, Eduard Bernstein, Karl Kautsky, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg – das sind jetzt Namen, die immer mehr in den Vordergrund der deutschen Linken rücken. Die Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) unter Führung ihres Vorsitzenden Friedrich Ebert plädieren zwar auch für einen »Verständigungsfrieden«, aber noch stehen sie hinter der Kriegspolitik der Monarchie.
    Im März 1918 setzt Ludendorff alles auf ein Karte. Er bündelt die militärische Kraft des Reiches für eine neue Offensive. Nach anfänglichen Erfolgen bleibt aber auch diese stecken. Die Alliierten treten im Juli zu einer Gegenoffensive an, die rasch zu tiefen Einbrüchen in den deutschen Stellungen führt. Im deutschen Heer, das bisher erstaunlich diszipliniert und einsatzbereit gekämpft hat, machen sich Auflösungserscheinungen breit. Zahlreiche Einheiten geraten in Gefangenschaft. Am 29. September fordern Hindenburg und Ludendorff nach dem Zusammenbruch der bulgarischen Front unverzügliche Waffenstillstandsverhandlungen und die Errichtung eines parlamentarischen Regierungssystems. Zwei Tage später ist der Wahnsinn vorbei. Der Schleier ist zerrissen, die vollkommen überraschten Reichstagsabgeordneten und die deutsche Bevölkerung stehen fassungslos vor dem Ende aller deutschen Träume.
    Der Erste Weltkrieg führt in Europa zu einer Umwälzung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Der Adel verschwindet als politische Kraft aus der Geschichte. Die riesigen Geld- und Vermögensverluste, die der Krieg und die ihm folgende Inflation erzeugen, treffen auch große Teile des Bürgertums. Vier jahrhundertealte und einst mächtige Monarchien werden gestürzt – in Russland, Österreich, der osmanischen Türkei und Deutschland. Amerika ist der große Gewinner des Krieges, es wird eine Weltmacht. Alle anderen Kriegsteilnehmer müssen einen hohen Preis zahlen. Nicht nur die Verlierer Deutschland und Österreich, sondern auch die Sieger Frankreich und England werden in den zwanziger Jahren unter harten sozialen Krisen leiden. Aus der Konkursmasse des Habsburger Reiches gründen sich neue, selbstständige Staaten – die Tschechoslowakei |198| , Jugoslawien, Ungarn, Rumänien –, und in ihren Grenzen leben zahlreiche

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