Die Geschichte der Deutschen
treibt ab 1925 den Ausbau der Partei systematisch voran. Die »Sturmabteilung« (SA) macht er zu einem wirksamen Kampfinstrument: Die militant auftretenden Schlägertrupps randalieren auf demokratischen Versammlungen, stören gewalttätig »undeutsche« Film- oder Theateraufführungen oder suchen die Gelegenheit zur Prügelei mit kommunistischen Gruppen. In den internen Parteidiskussionen wird Hitlers diktatorischer Führungsanspruch akzeptiert. Der Durchbruch in der Öffentlichkeit gelingt ihm 1929 bei der Auseinandersetzung um die Annahme des Young-Plans, der eine neue Reparationsregelung bringen soll. Die Feinde der Republik entfachen eine weitere Hetzkampagne gegen die »Novemberverbrecher«, die nun angeblich erneut das Vaterland in Unglück und Not stürzen. Hitler tritt auf zahlreichen Großveranstaltungen auf. Sein Name wird zu einem Begriff in Deutschland.
Die KPD wird in den zwanziger Jahren immer abhängiger von der Politik Moskaus. Die Sowjetunion beansprucht in der von Lenin 1919 gegründeten Kommunistischen Internationalen die Führung. Auf deren 4. Weltkongress 1928 beschließen die Delegierten die Gleichschaltung aller kommunistischen Parteien. Sie haben sich den politischen Zielen der Sowjetunion zu unterwerfen. Der neue starke Mann in Moskau ist Jossif (Joseph) Stalin. Er errichtet in der Sowjetunion |216| eine Diktatur und lässt bald fast die gesamte alte bolschewistische Garde in so genannten Schauprozessen an den Pranger stellen und umbringen. Die kommunistischen Parteien im Ausland folgen den stalinistischen Diktaturforderungen. Nicht deutsche, sondern sowjetische Interessen lenken also die Politik der KPD. Wer sich gegen diesen Kurs stemmt, wird diffamiert und ausgeschlossen. Bis zum Ende der Republik bleiben die Kommunisten innenpolitisch eine zerstörerische Kraft. Sie missbrauchen damit die Gutgläubigkeit vieler ihrer Wähler, die sich vor dem Hintergrund der großen Wirtschaftskrise ab 1930 in immer größerer Zahl für die KPD entscheiden.
Bei den Reichstagswahlen im Mai 1928 können SPD und KPD größere Gewinne verzeichnen. Insgesamt kommen jetzt 42 Prozent der Abgeordneten aus ihren Reihen. Ganze zwei Prozent der Wähler entscheiden sich für die Nationalsozialisten. Verlierer sind die bürgerlichen Parteien, die in den letzten Jahren an den verschiedenen Regierungen beteiligt waren. SPD, das Zentrum, Stresemanns Deutsche Volkspartei und die inzwischen sehr kleine liberale Deutsche Demokratische Partei schließen sich zur großen Koalition zusammen, Reichskanzler wird Hermann Müller. Erstmals seit 1920 steht damit wieder ein Sozialdemokrat an der Spitze eines Kabinetts. Nach nur zwei Jahren tritt Müller zurück. Es ist scheinbar nur eine Randfrage – der Streit über die Erhöhung der Arbeitslosenversicherung –, die ihn resignieren lässt. Hinter dem Kabinett aber liegen die Monate der Anti-Young-Plan-Kampagne, mit der die Radikalen wieder die Stimmungsherrschaft im Land übernommen haben. Der mehr oder weniger freiwillige Rückzug der Sozialdemokraten aus der Regierungsverantwortung wird sich jedoch als leichtfertig und für den Bestand der Republik folgenreich erweisen. Heute wissen wir, dass er der Anfang vom Ende war.
Der 29. Oktober 1929 ist als »Schwarzer Freitag« in die Geschichte eingegangen. An diesem Tag setzen die Aktienkurse an der New Yorker Börse zu einer stürmischen Talfahrt an. Innerhalb weniger Stunden werden Millionäre zu Bettlern und verlieren Rentner ihre gesamte Alterversorgung. Dem Zusammenbruch der in den letzten Jahren immer hektischeren Aktienspekulationen folgt eine Weltwirtschaftskrise, von der sich die Staaten erst nach vielen Jahren erholen. Auch für Deutschland bedeuten die Vorgänge in New York eine Katastrophe. Das Land hat die Nachkriegskrise nur durch die Aufnahme hoher ausländischer Kredite auffangen und teilweise überwinden können. Der Börsencrash in New York bringt die US-Banken in Zahlungsprobleme. Sie rufen ihre Kredite zurück.
Deutschland bringt der Abzug des ausländischen Geldes in den kommenden drei Jahren in eine enorme Liquiditätskrise. Am 11. Mai 1931 bricht die Österreichische |217| Credit-Anstalt zusammen, wenig später folgt die Darmstädter und Nationalbank, eine der vier deutschen Großbanken. Die Sparer erfasst Panik, ein Sturm auf die Bankschalter setzt ein. Am 14. Juli werden die deutschen Banken, Sparkassen und Börsen geschlossen. Der Konsum geht zurück, die öffentlichen Investitionen sinken, die
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