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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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Auslandsgelder bleiben aus und die Konjunktur gerät ins Trudeln. Schon Ende 1929 liegt das Kassendefizit des Staates bei 1,7 Milliarden Reichsmark. Ende Dezember 1930 gibt es in Deutschland wieder 4,4 Millionen Arbeitslose, ein Jahr darauf sind es knapp 5,7 Millionen und 1932 wird die 6-Millionen-Grenze überschritten. Eine schwere Agrarkrise kommt noch hinzu.
    Neues Elend macht sich breit. Menschenschlangen bilden sich jeden Morgen vor den Arbeitsämtern oder vor den Fabriktoren, wo nur wenige der Wartenden eine Tagesarbeit finden werden. An den Straßenecken bieten Männer ihre Arbeitskraft für jede Tätigkeit und jeden Lohn an. Familien ziehen mit Handkarren, auf denen ihre wenigen Habseligkeiten verstaut sind, durch die Städte. Sie haben ihre Wohnung verloren, weil sie die Miete nicht mehr aufbringen können. Die Armenküchen, die Suppe und Brot austeilen, sind überlaufen.
    Und wie reagieren Regierung und Parteien auf die schlimmste Krise seit 1923? In Berlin ist im März 1930 der Zentrumspolitiker Heinrich Brüning Kanzler geworden. Er ist Monarchist und hat am Krieg als Offizier teilgenommen. Hindenburg ist für ihn nicht nur der Reichspräsident, sondern er sieht in ihm immer noch den obersten militärischen Vorgesetzten. Die Wirtschaftskrise will Brüning durch einen eisernen Sparkurs und eine restriktive Geldpolitik bekämpfen. Die Regierung denkt also gar nicht daran, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Nein: Sie schwächt sie zusätzlich, und das mit Absicht. Brüning hofft auf einen außenpolitischen Erfolg. Die sichtbare Verelendung der Bevölkerung, so spekuliert er, sei ein überzeugender Beweis für das Ausland, dass Deutschland keine Reparationen mehr leisten kann.
    Der Kanzler scheitert. Die wachsende wirtschaftliche Not treibt den Radikalen von rechts und von links in den letzten knapp drei Jahren, die der Republik noch bleiben, die Wähler scharenweise zu. Erst jetzt beginnt Adolf Hitler zu ernten, was er in den vergangenen Jahren gesät hat. Seine maßlosen Angriffe auf die deutsche Demokratie, seine Selbststilisierung zum nationalen Retter können nur greifen, weil die Republik derart deutlich an Ansehen verliert. Bei den Reichstagswahlen im September 1930 schafft Hitler eine politische Sensation: Die Nationalsozialisten erringen 107 Mandate, das ist ein Zuwachs von 95 Sitzen. Sie stellen jetzt die mit Abstand stärkste Fraktion im Reichstag. Lag die Mitgliederzahl |218| der Partei 1928 noch bei 100 000, schnellt sie nun auf 400 000 hoch. Am 10. April 1932 stehen die Deutschen dann vor der Wahl, entweder einem greisen kaisertreuen General und Republikgegner ihre Stimme zu geben oder einem Mann, der keine Zweifel an seinen diktatorischen Ansprüchen lässt. Sie wählen im zweiten Wahlgang erneut Hindenburg mit 19,4 Millionen Stimmen zum Reichspräsidenten. Für Hitler stimmen 13,4 Millionen Wähler. Nur weil sich schließlich alle bürgerlichen Parteien und auch die Sozialdemokraten hinter Hindenburg stellen, kann Hitlers Aufstieg zum Staatsoberhaupt noch einmal verhindert werden.
    Die vom Volk gewählten Reichstagsabgeordneten haben schon seit Brünings Amtsantritt im Frühjahr 1930 kaum noch etwas zu sagen. Bis zu Hitlers Machtübernahme regieren nur noch so genannte Präsidialkabinette. Sie stützen ihre Politik nicht auf die Mehrheit im Reichstag, sondern auf die von Hindenburg erlassenen Notverordnungen. Brüning ist von diesem ausdrücklich aufgefordert worden, die Sozialdemokraten von jeglicher Regierungsbeteiligung fernzuhalten. Dass Hindenburg von dieser Bedingung die Kanzlerschaft Brünings abhängig macht, ist ein klarer Bruch der Verfassung.
    Die Treue zu seinem einstigen Oberbefehlshaber, dessen Wiederwahl zum Reichspräsidenten er energisch unterstützt hat, hilft dem Kanzler am Ende nicht. Hindenburg verdankt seinen Sieg bei den Präsidentenwahlen in erster Linie den ungeliebten Sozialdemokraten. Die konservativen Kreise um die ostelbischen Gutsbesitzer haben sich ihm verweigert und Hindenburg macht Brüning dafür verantwortlich. Kurz nach der Wahl fordert er vom Kanzler eine neue staatliche Osthilfe, um die Freunde auf den Gütern in Pommern und Ostpreußen wieder zu versöhnen. Da die große Mehrheit der Bevölkerung unter der Sparpolitik der Regierung leidet, ahnt selbst Brüning, dass ein solcher Schritt nicht zu rechtfertigen sein wird. Zumal mehrere Zeitungen berichten, dass viele Großgrundbesitzer die Osthilfe nicht für ihre Güter, sondern für luxuriöse

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