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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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Parteipolitiker die Massen so faszinieren konnte. Zu erklären ist das nur aus der Zeit, in der dies alles geschah. Hitler verspricht allen alles. Den Bauern neues Ansehen und ein besseres Auskommen, den Unternehmern Schutz vor den kommunistischen Horden, der Reichswehr eine Aufrüstung, den Bürgern die Abkehr der deutschen Gesellschaft von Sittenlosigkeit und dem Verfall der deutschen Familie, den Arbeitern einen Arbeitsplatz und ein ausreichendes Einkommen. Deutschland, so erklärt er, werde unter ihm wieder zu einer angesehenen Macht in der Welt aufsteigen und er werde alle Demütigungen des Versailler Vertrages rückgängig machen. Eine »Volksgemeinschaft« wachse unter seiner Regierung heran, die über dem jämmerlichen Parteienhader und den egoistischen Interessen der Klassen und Schichten stehe. Die »jüdische Verschwörung« und die Vorherrschaft der Juden in den Zeitungen, in den Theatern, an den Hochschulen und im Geschäftsleben werde er beenden.
    Hitler inszeniert seine Politik. Ein Meer von roten Hakenkreuzfahnen auf den Parteitagen, Feuerschalen und Lichtdome, die einer heutigen Laser-Show in nichts nachstehen, strahlen den dunklen Himmel an. Der Führer durchschreitet wie ein römischer Imperator die in Reih und Glied aufgestellten SA-Hundertschaften. Heldenmusik klingt auf, ein tausendfaches »Heil Hitler!« hallt durch die Nacht. Wie kümmerlich wirken dagegen die Auftritte der Repräsentanten |221| der Republik, die in ihren dunklen Cuts und gestreiften Hosen an den braven Vertreter von nebenan erinnern. Vor allem die Jugend zieht Hitler in seinen Bann. Auf den Universitäten finden die Nationalsozialisten schon Mehrheiten, als sie vor den Hochschultoren noch verlacht werden. Die jungen Menschen, die ihre Kriegserlebnisse unbewältigt mit sich herumschleppen, erleben nun desillusioniert mit, wie die Weimarer Demokratie nicht mehr um Ruhm und Vaterland, sondern um Geld und Macht feilscht. Durch Hitlers Auftritte und Reden fühlen sie sich an die Ideale erinnert, für die sie auf die Schlachtfelder gezogen waren. Wenn sie die Universitäten verlassen, erwartet sie häufig die Arbeitslosigkeit. Die Zukunft vertritt aus ihrer Sicht Hitler und nicht die Republik.
    In dem Parteinamen »Nationalsozialistische Arbeiterpartei« sind die zwei wichtigsten Ideologien des 20. Jahrhunderts miteinander verbunden: Nationalismus und Sozialismus. Hitler ist für viele Menschen ein Revolutionär, auch er selbst sieht sich so. Ohne die soziale und die wirtschaftliche Krise der Jahre vor seinem Machtantritt ist Hitler kaum denkbar. Aber es ist mehr, was ihn zum Führer der Deutschen werden lässt. In seinen Reden spiegeln sich die Gewaltideologien wider, die im 19. Jahrhundert erdacht und propagiert wurden: Der unversöhnliche Hass gegen jeden Andersdenkenden. Das Anpreisen von Gewalt und Terror, um die eigenen nationalen Interessen durchzusetzen. Die Heroisierung des Krieges. Der Antisemitismus, der Menschen wegen ihrer Herkunft diffamiert und mit Vernichtung bedroht. Der eng damit zusammenhängende und weder wissenschaftlich noch moralisch haltbare Glaube an eine biologische Blut- und Rassenlehre. Zu viele Deutsche haben dies immer wieder propagiert und in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen geltend gemacht. Insofern ist Hitler kein Außenseiter, sondern einer von uns.
    Die geistigen Errungenschaften der modernen Zivilisation bleiben ihm fremd oder er verachtet sie als »Verweichlichung« und »Dekadenz«, die zum Untergang eines Volkes führen: Toleranz und Mitleid, Achtung vor der Würde des Menschen und Respekt vor anderen Völkern und Nationen, friedliche Konfliktlösungen und die Notwendigkeit, Kompromisse zu schließen, um Gewalt zu verhindern. Auch mit der Verdammung solcher Werte steht Hitler nicht allein. Die Weimarer Republik muss mit unendlich vielen Belastungen ringen, die auch bessere Demokraten und klügere Parteien und Regierungen nur schwer bewältigen könnten. Aber Hitler ist kein schicksalhaftes Verhängnis und seine Machtübernahme nicht zwangsläufig. Es sind Menschen, die ihm zujubeln und nicht fragen, wohin seine Drohungen und Hasspredigten denn führen werden, wenn auf das Wort die Tat folgt.
    |222| Hitler bildet als Kanzler eine Regierung, zu der auch nationalkonservative Minister gehören. Das wichtige Innenministerium allerdings, dem die Polizei unterstellt ist, leitet der Nationalsozialist Wilhelm Frick. Der frühe Weggefährte Hitlers, Hermann Göring, sitzt als Minister ohne

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