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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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Mähren hat der Kirchenreformer und erste Rektor der Prager Universität Jan Hus eine große Anhängerschaft um sich geschart. Er fordert eine Neubesinnung der Kirche, lehnt deren Güterbesitz und die Verweltlichung des Klerus scharf ab. Berühmt und für die Obrigkeit gefährlich machen ihn jedoch vor allem seine nationalen Aktivitäten. So plädiert er für eine selbstständige böhmische Kirche und schafft eine einheitliche tschechische Schriftsprache. Der Papst exkommuniziert ihn. Auf Drängen von Kaiser Sigismund, der ihm freies Geleit garantiert, erscheint Hus auf dem Konzil von Konstanz, um seine Thesen zu verteidigen. Dort gilt das kaiserliche Versprechen wenig. Jan Hus wird 1415 verhaftet und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ein Schrei der Empörung und ein Aufstand in Prag ist die Antwort. Von 1420 bis 1436 toben blutige, zahlreiche Landstriche verwüstende Kämpfe zwischen den Hussiten und den kaiserlich-päpstlichen Truppen. Erst interne Richtungskämpfe schwächen die aufbegehrenden Tschechen. Zum ersten Mal hat die römische Kirche in Europa eine gewaltige Reformbewegung erlebt, die deutliche nationale Züge trägt.
    |60| 1453 erobern die Türken Konstantinopel. Ein Weltereignis. Das byzantinische Reich geht unter und an Europas Tore pocht wieder eine islamische Großmacht. Das Osmanische Reich wird bis 1922 bestehen. Sein Name kommt von dem Begründer der Dynastie Osman. Er und seine Nachfolger erobern nicht nur Anatolien und Mesopotamien, Syrien, Palästina und Ägypten, sondern expandieren bald auch nach Westen und besetzen die Balkanhalbinsel. Die »Türkengefahr«, ein damals angesichts der drohenden Invasion in ganz Deutschland viel verwendeter Begriff, wird in den kommenden Jahrhunderten zu einem europäischen Albtraum.
    Die Jahre des Großen Schismas durchbrechen die universelle Macht des Papsttums. Die Kirchenspaltung hat eine verheerende Wirkung auf das Ansehen des höchsten Bischofsamtes. Ab 1378 erlebt Europa zahlreiche Doppel- und Gegenpäpste, die in Rom und in Avignon residieren. Sie bekämpfen sich bis aufs Messer. Schon in der Goldenen Bulle, die auf den Nürnberger Hoftagen 1356 verabschiedet wird und so etwas wie ein »Grundgesetz« des Reiches darstellt, finden der Papst und seine politische Rolle keine Erwähnung mehr. Mit dem Habsburger Friedrich III. wird 100 Jahre später zum letzten Mal ein deutscher Herrscher in Rom zum Kaiser gekrönt. Die Einfluss der Kirche auf die politischen und kulturellen Entwicklungen in Europa bleibt zwar noch lange erhalten, aber gegenüber den Jahren des Hochmittelalters ist er deutlich gesunken.
    Im Kampf um die weltliche Macht in Deutschland schält sich immer klarer ein Dualismus zwischen König und Kurfürsten heraus. Bei aller kaum noch zu überschauenden Vielschichtigkeit gibt es eine Konstante, die die deutsche Geschichte bis in die Moderne hinein prägen wird: Die politischen Kräfte konzentrieren sich im deutschen Reichsgebiet auf kleine Räume. Der König wird von den sieben Kurfürsten gewählt. Es sind zunächst die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Markgraf von Brandenburg und der Herzog von Sachsen. Später kommen noch die Kurfürsten von Bayern und Hannover hinzu. Diese Fürsten herrschen über große Territorien und sie bestimmen die Reichspolitik mit. Der Einfluss der Könige auf die Entscheidungen in den Fürstentümern ist dagegen nur gering.
    Die Zentren des deutschen Königtums liegen bald nicht mehr im Kerngebiet des Reiches, sondern für lange Zeit in Böhmen und Österreich. Auch das weist auf die großen Schwierigkeiten hin, ein so ausgedehntes Imperium zentral zu regieren. Zumal in der königlichen Hofverwaltung kaum mehr als ein gutes Dutzend Kanzleibeamte beschäftigt sind. Während beim westlichen Nachbarn Frankreich die Nachfolgedynastie der Karolinger bis ins 14. Jahrhundert hinein |61| regiert, haben sich im gleichen Zeitraum in Deutschland mehr als ein halbes Dutzend Adelsgeschlechter im Königsamt abgelöst. Das ist sicher nicht gerade ein Ausweis von politischer Stabilität. Alles in allem erscheint es also wie ein Wunder, dass eine so intensive Verlagerung der Macht in die einzelnen Regionen nicht zu einem völligen Zerfall des Reiches geführt hat.
    Drei Großdynastien sind es vor allem, die im Spätmittelalter die deutschen Könige stellen: Die österreichischen Habsburger, die bayerischen Wittelsbacher und die Luxemburger. Häufig kommt es zu

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