Die Geschichte der Deutschen
Reformationsthesen, seine Schriften über die Freiheiten des Christenmenschen verbreiten sich nach 1517 in Windeseile über den ganzen Kontinent. Bald lesen die Menschen die ins Deutsche (oder andere Völker die in ihre jeweilige Landessprache) übersetzte Bibel und sind nicht mehr abhängig von den Glaubensdeutungen der Prediger. Die alten scholastischen und geistlichen Autoritäten müssen sich jetzt stärker hinterfragen lassen. Ihre Behauptungen und Thesen werden überprüfbarer. Der Mensch der Neuzeit hat durch den Buchdruck die Chance, mündiger zu werden.
Viel wissen wir über den Mann, der am Anfang dieser – wie wir heute sagen würden – Kommunikationsrevolution steht, nicht. Er ist der Sohn des Mainzer Patriziers Friele Gensfleisch zur Laden. Der Name Gutenberg stammt von dem Haus, in dem die Familie wohnt. 1430 verlässt der Sohn Mainz und lebt für mindestens zehn Jahre in Straßburg. Dort beschäftigt er sich mit seinem erlernten Handwerk, der Goldschmiedekunst. Vor allem aber beginnt er über das Problem des Buchdrucks nachzudenken und entwickelt dafür neue Verfahren. Ein |65| teures Abenteuer, das er nur durch die Aufnahme beträchtlicher Kredite weiterführen kann. Nach Mainz zurückgekehrt, vollendet er seine Versuche: Die berühmte 42-zeilige lateinische Bibel entsteht, das erste gedruckte Buch des Abendlandes. An ihr sollen sechs Setzer etwa zwei Jahre gearbeitet haben. Von den insgesamt 180 Exemplaren sind nur noch 48 erhalten. Eines davon kann man heute im Mainzer Gutenberg-Museum bewundern.
Gutenbergs Versuch das Druckverfahren geheim zu halten scheitert rasch. Die Nachricht vom Bibeldruck verbreitet sich wie ein Lauffeuer – und ruft seine Konkurrenten auf den Plan. Johann Fust, der Gutenberg den Kredit für seine Unternehmung gewährt hat, klagt nun auf Rückzahlung. Wie der Prozess ausgegangen ist, ist unbekannt. Aber Fust unternimmt nun alles, um dem Erfinder der Buchdruckerkunst zu schaden und selbst einen Profit daraus ziehen. Er veröffentlicht Prachtdrucke ohne Gutenbergs Anteil daran zu nennen. So erntet dieser zwar den Ruhm der Geschichte, bleibt aber in großen finanziellen Schwierigkeiten. Rettung kommt vom Mainzer Erzbischof. Er nimmt den Erfinder in den Kreis seiner Hofleute auf und sichert ihm bis zu seinem Lebensende ein geregeltes Auskommen.
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Auf in die Städte!
Für die politische Geschichte des Mittelalters sind die großen und zukunftsweisenden wirtschaftlichen Veränderungen nicht weniger entscheidend als die zahllosen Machtkämpfe von Staat und Kirche. Sie beginnen im 11. Jahrhundert, und am Anfang steht die Revolution in der Landwirtschaft. Die Entwicklung des vierrädrigen Wagens mit einer Drehvorrichtung an der Vorderachse macht den Transport von Gewichten bis zu drei Tonnen möglich. Das Zugvieh (Pferde, Maulesel und Ochsen) wird mit einer neuen Technik angeschirrt. Ein ledergepolsterter Holzkragen ersetzt den hergebrachten Lederriemen, der den Tieren bei schweren Lasten tief ins Fleisch schneidet. Durch das neue Kummet wird es möglich die Zugkraft zu verdoppeln. Der Schubkarren verbindet auf einfache und doch geniale Art Rad und Hebel, und auch er trägt zur Steigerung des Lastentransportes bei. Die Eggen erhalten eiserne Zinken, die Pflüge werden mit Rädern und einer eisernen Schar versehen. Die körperlich harte und mühselige Feldbearbeitung wird leichter und effizienter.
Ein zwar nicht neues, aber jetzt erheblich intensiver genutztes Flursystem ermöglicht |66| es den Bauern, sich gegenseitig beim Früchteanbau zu unterstützen. Sie können nun die schon erwähnte Dreifelderwirtschaft erheblich konsequenter praktizieren. Winter- und Sommerfrucht sind möglich, das für ein Jahr brachgelegte Feldstück dient der Viehweidung und der natürlichen Düngung. All dies sind aus heutiger Sicht kleine Veränderungen. Aber für die damalige Zeit bedeuten sie eine gar nicht zu unterschätzende Revolution des Alltags der Menschen.
Im 11. und im 12. Jahrhundert werden die alten Siedlungsgebiete beträchtlich ausgeweitet. Gerodete Wälder, trockengelegte Sumpflandschaften und der Deichbau an den Küsten tragen erheblich zur Gewinnung neuer Anbau- und Wohnregionen bei. Es ist ein Wechselspiel: Die Agrarrevolution erzeugt eine bessere Versorgung der Menschen und das bewirkt einen Anstieg der Bevölkerung. Dieser wiederum erzeugt einen beträchtlichen Druck, der zum Landausbau zwingt. Es gibt nur ungefähre Schätzungen über die
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