Die Geschichte der Deutschen
gegen Zins in seine Bank eingezahlte Beträge, nur von Fürsten oder anderen Angehörigen des Hochadels an. Die Gewinne seiner so erfolgreichen Geschäfte setzt Jakob Fugger für seine Kredite an Kaiser und Fürsten, Päpste und Bischöfe ein. Damit gewinnt er großen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der Landesherren. Zur Absicherung der Kredite lässt er sich die Schürfrechte im Blei-, Kupfer- und Quecksilberbergbau in den Habsburger Territorien übertragen. Zeitweise erringt er in diesen Bereichen eine Monopolstellung.
Unter Jakobs Leitung steigt der Gewinn des Unternehmens innerhalb von 16 Jahren um 1000 Prozent. Die Konkurrenz und der niedere Adel blicken nicht ohne Neid auf den Glanz des Hauses Fugger. Sie kritisieren die übermächtige Stellung der Familie heftig. Wie alle Fugger verwendet Jakob sein Vermögen aber auch, um Bibliotheken zu fördern, prachtvolle Kirchenbauten zu unterstützen oder Armenhäuser zu bauen. In Augsburg entsteht eine von Fugger finanzierte Armensiedlung, die bald 53 Häuser mit je zwei Wohnungen umfasst. Für seine Mitarbeiter richtet er eine Krankenpflege ein. Nicht zuletzt, um seinen Handelsvertretern zu helfen, die sich auf ihren Auslandsreisen an der Syphilis angesteckt haben. Jakob, der harte und egoistische Geschäftsmann, ist ein gläubiger Katholik. Seine soziale Großzügigkeit ist sicher auch aus der Hoffnung geboren, damit etwas für sein Seelenheil zu tun.
|72| Die kulturellen Wurzeln des Kapitalismus liegen in diesen mittelalterlichen Jahrhunderten. Nicht der Adel, sondern Kaufleute wie Jakob Fugger schaffen sie. Kaiser, Könige und Fürsten gewähren ihnen die für ihren Handel notwendigen Freiheiten und lassen sich dies in der Regel sehr gut bezahlen. Sie selbst glauben über solchen profanen und ordinären Dingen wie Handel und Gewinn stehen zu können. Ein für ihren Stand folgenschwerer Irrtum. Das Ende der politischen Adelsherrschaft wird noch bis zu den großen europäischen Revolutionen im 17. und 18. Jahrhundert auf sich warten lassen. Aber schon an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit sind die Entscheidungen der Kaufleute kaum weniger wichtig geworden als die der Fürsten und ihrer Generale.
Vernachlässigt haben die früheren Historiker den Anteil der jüdischen Kaufleute an diesen Entwicklungen. Wenn sie diese Tatsache erwähnen, dann mit Ablehnung und heuchlerischer Empörung: Der Zins- oder Geldjude sauge das christliche Volk mit seinen Geldforderungen aus.
Im Land- und im Fernhandel des Mittelalters und der Neuzeit übernehmen die jüdischen Kaufleute bald eine herausragende Rolle. Das Geld- und Bankwesen ist von ihnen zunächst in Süd-, dann in West- und Mitteleuropa mitentwickelt und organisiert worden. Die Diffamierungen, die sie bis ins 21. Jahrhundert hinein dafür erleiden müssen, sind so dumm wie oberflächlich. Die Juden, von Fürsten und Bischöfen zeitweise gegen hohe Zahlungen in ihren Herrschaftsgebieten geschützt und geduldet, immer wieder aber auch verfolgt und verjagt, haben im Mittelalter keine Rechte, und sie dürfen in Deutschlands Städten und Dörfern bis in das 17. Jahrhundert hinein keine eigenen Gemeinden gründen. Auf dem 4. Laterankonzil – benannt sind diese mittelalterlichen Versammlungen katholischer Bischöfe nach ihrem Tagungsort, dem päpstlichen Lateran-Palast in Rom – beschließt das christliche Abendland 1295, dass Juden an ihrer Kleidung einen deutlich sichtbaren gelben Stoffflecken (Judenzeichen, Schandfleck) tragen müssen. In Deutschland wird er um 1400 eingeführt und die Nationalsozialisten werden ihn während der Jahre des Dritten Reiches wiederentdecken.
Die jüdischen Mitbürger werden bereits im frühen Mittelalter dazu gezwungen, ihre Wohnhäuser in einem Ghetto zu bauen, einem abgesperrten Teil der Städte. Zahllose Berufsverbote treiben sie in Armut und Elend. Da es christlichen Geldverleihern und Kaufleuten verboten ist, Zinsen für die von ihnen gewährten Kredite zu berechnen, öffnet sich hier neben dem Handel eines der wenigen Berufsfelder, auf denen Juden arbeiten dürfen und die ihnen einen Lebensunterhalt schaffen. Sie tun es teilweise erfolgreich und unter ständiger Bedrohung |73| für Leib und Leben. Die Pogrome (aus dem Russischen für »Hetze«, »Ausschreitungen«), die die jüdischen Ghettos in allen Jahrhunderten regelmäßig heimsuchen, werden häufig von Menschen angestiftet, die sich durch ihre Gewalt- und Mordtaten von der Rückzahlung ihrer Schulden befreien wollen. Auch
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