Die Geschichte der Deutschen
Überfall auf den unsicheren Landwegen kann den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Erreichen die Waren ihr Ziel, locken gewaltige Gewinnspannen und Reichtum. Vom Mittelmeer her kommen die Kaufmannskarawanen über Marseille, Lyon und die Champagne in die flandrischen Städte. Die Pässe Sankt Gotthard und Sankt Bernhard führen über die Alpengipfel und werden schon im 13. Jahrhundert zu wichtigen Handelsstraßen, die den Weg zum Rhein öffnen. Der Handel verläuft zunächst von Süd nach Nord, dann werden mit der Anbindung Polens, Böhmens und der ferneren slawischen Länder an die europäische Wirtschaft die Ost-West-Wege immer wichtiger.
Die Väter und Gründer der großen Kaufmannsfamilien begleiten in der Regel |70| noch ihre Warentransporte persönlich durch gefährliches Gelände. Sie wissen nicht nur zu rechnen, sondern auch mit dem Schwert zu kämpfen. Die Söhne und Enkel sitzen dagegen bald nur noch in den Kontoren, führen Buch, schreiben Briefe, feilschen um Kredite, treiben die Schulden ein. Das Geld gewinnt immer mehr an Macht. Die großen und kleinen Landesherren prägen Silbermünzen und sie verdienen daran. Vor allem wenn sie den Silbergehalt heimlich immer weniger werden lassen. Goldmünzen sind in ihrem Wert stabiler, aber auch da wird gemogelt und sie sind seltener. Gulden und Florentiner kennen wir noch im 20. Jahrhundert, aber da haben sie schon eine lange Geschichte hinter sich. Es herrscht ein ziemliches Währungsdurcheinander, denn fast jeder Herrscher bringt eigene Münzen in Umlauf. In den italienischen Handelsstädten – daher kommen ja fast alle Fortschritte im Geldhandel – beginnt die lange Geschichte des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Schuldverschreibungen und Schecks werden üblich und sie erleichtern den Handel. Neue Berufe gibt es: Bankiers und Wechsler.
Jakob Fugger (1459–1525)
Die berühmteste Kaufmannsfamilie des Mittelalters trägt den Namen Fugger. Seit 1367 sind ihre Mitglieder als Weber und Tuchhändler in Augsburg ansässig. Es ist eine Dynastie, die über einen Zeitraum von rund 400 Jahren auch politisch eine wichtige Rolle in Deutschland spielt. Immer wieder stellen die Fugger den Königskandidaten riesige Geldbeträge zu Verfügung, mit denen diese die fürstlichen Wahlmänner bestechen können. Das vielleicht bekannteste Beispiel ist Kaiser Maximilian I. Ohne die Kredite der Fugger wäre es ihm 1486 nicht gelungen, die Königswürde zu erringen. Das Gleiche gilt für Kaiser Karl V. Dessen Wahl zum König wird durch eine Bestechungssumme in Höhe von – nach heutigem Wert – etwa 25 Million Euro ermöglicht. Den größten Anteil steuert Jakob Fugger bei. Später wird Fugger den Monarchen selbstbewusst daran erinnern, wem er die deutsche Königswürde verdankt: »Ohne meine Hilfe hätte Eure Kaiserliche Majestät die Römische Krone nicht erlangen können.« Der Kaiser vergisst seinen Förderer nicht. Die Enkel des Jakob Fugger erhebt er in den erblichen Reichsgrafenstand.
Für den Papst finanziert das Haus Fugger den Ablasshandel vor, mit dessen Einnahmen der Petersdom in Rom gebaut wird. Es ist wahrscheinlich die größte Finanztransaktion des 16. Jahrhunderts, und sie wird zum Auslöser der Reformation |71| werden. Immer ist es ein Handel auf Gegenseitigkeit. Die Fugger fordern und erhalten für ihre Darlehen königlich abgesicherte Privilegien, die ihren Reichtum mehren. Unter Jakob Fugger erhält das Augsburger Handelshaus Weltgeltung. Um das Zentrum Augsburg baut er ein Netz von Handelsstützpunkten auf. Die Handelskonzessionen des Hauses reichen bis in die überseeischen Kolonialgebiete. Vor allem seine Metallgeschäfte dehnen die Handelsverbindungen der Firma »Jacob Fugger und seiner Brüder Söhne« bis Indien, Afrika oder Amerika aus. Seine Waren gehen über die Ost- und Nordsee, lagern in Hamburg und Antwerpen. Ein wirtschaftliches Weltimperium ist entstanden.
Jakob Fugger beherrscht das Handels- und Bankgeschäft wie kaum ein anderer. In seinem Palast am Augsburger Weinmarkt herrscht er wie ein ungekrönter König. Kaiser und Kurfürsten steigen bei ihm ab. Jakob ist nach seiner kaufmännischen Ausbildung in Venedig in das Familienunternehmen eingetreten. 1512 wird er der Chef des Hauses. Bisher sind der Textilverlag und der Fernhandel die Stützen des Unternehmens. Jakob Fugger baut nun systematisch das Engagement der Firma im Bergbau und im Bankgeschäft aus. Klug und immer die Sicherheit seiner Geschäfte im Auge, nimmt er Depositengelder, also
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