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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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gesellschaftlichen Realität am Menschen. Auch dem Kommunismus ist es nicht gelungen ihn neu zu erschaffen.
    Karl Marx und Friedrich Engels stehen mit ihren Ideen und Forderungen keineswegs allein. In Frankreich werden die Schriften des Sozialisten Pierre Joseph Proudhon diskutiert. »Eigentum ist Diebstahl!«, verkündet dieser. Eine »positive Anarchie«, in der fast unbeschränkte Freiheit herrsche, werde die Gesellschaft in eine glückliche Zukunft führen. Nicht Geld, sondern Tauschbons soll es für die Waren geben. Der französische Kommunist Louis Auguste Blanqui kämpft 1830 und 1848 auf den Barrikaden. 30 Jahre seines Lebens verbringt er im Gefängnis. Blanqui ist ein Berufsrevolutionär, weniger ein Theoretiker. Aber auch seine Schriften beschäftigen sich mit Fragen der Volkswirtschaft und der Verbesserung der sozialen Verhältnisse. Er fordert die Volksdiktatur, um die sozialistischen Umwälzungen durchzusetzen. Ein scharfer Kritiker des Kapitalismus ist gleichfalls Louis Blanc. Dieser führe zu Arbeitslosigkeit und Überproduktionen, meint er. In England fordert Robert Owen die Errichtung von Genossenschaften. Der Handwerker Wilhelm Weitling aus Magdeburg schließt sich 1836 in Paris dem Bund der Geächteten an und er glaubt durch einen gerechten Verteilungskommunismus sei der Kapitalismus zu überwinden. Die sich immer schneller entwickelnde Industrialisierung löst in allen Ländern Gegenreaktionen aus. Gewaltige Bevölkerungsverschiebungen weg vom Land hin zu den industriellen Zentren und die Entstehung einer neuen Klasse, der Arbeiterschaft, verschärfen die sozialen und gesellschaftlichen Konflikte.
    In der Revolution von 1848 spielen die Arbeiter erstmals eine gewisse Rolle. Wenn es auch richtig ist, von einer bürgerlichen Revolution zu sprechen – denn im Parlament der Paulskirche sitzt noch kein einziger Arbeiter –, so sind diese auf den Barrikaden und bei den sich rasch radikalisierenden Volksaufständen nicht mehr zu übersehen. Unter den am 18. März getöteten 303 Berliner Barrikadenkämpfern befinden sich 214 »Arbeitsleute und Proletarier«, Gesellen, Lehrlinge, Diener und Kleinhändler. Von den Protestaktionen, die zwischen März und April 1848 in Deutschland stattfinden, entstehen immerhin 10 Prozent durch Arbeitskonflikte. Und trotzdem: Erst nach 1848, als die Industrielle |143| Revolution Deutschland mit ganzer Wucht erreicht, wird sich die Arbeiterschaft politisch und gewerkschaftlich so organisieren, dass sie zu einer eigenen Kraft wird.
    Friedrich List (1789–1846)
    Der Fortschritt hat immer zwei Seiten. Wenn sich gesellschaftliche Umwälzungen ankündigen, scheiden sich die Geister. So ist es schon damals: Auf der einen Seite stehen die Mahner und Kritiker wie Marx und Engels und vor allem die Arbeiter, auf deren Rücken der Wohlstand der Industriezentren wächst. Auf der anderen Seite des wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Spektrums steht ein Schwabe, der früher als die meisten seiner Landsleute und realistischer als die Propheten des Sozialismus erkennt, welche ungeahnten wirtschaftlichen Möglichkeiten der Bau der Eisenbahn und ein Deutschland ohne Zollgrenzen eröffnen. Er sieht das nicht nur, sondern setzt sich mit unglaublicher Energie dafür ein. Friedrich List ist zwar in den Geschichtsbüchern nicht vergessen worden, aber die wirkliche Bedeutung dieses Mannes ist nur wenigen bewusst. Der Schweizer Wirtschaftshistoriker Edgar Salin meint 100 Jahre nach Lists Tod, er sei in seinen späteren politischen Schriften zum einzigen ernsthaften deutschen Gegenspieler von Karl Marx geworden.
    Geboren wird er in Reutlingen. Obwohl er ohne jede akademische Vorbildung ist, beruft ihn die württembergische Regierung im Alter von 28 Jahren als Professor für Staatswirtschaft an die Universität Tübingen. Zwei Jahre später gründet er gemeinsam mit einigen Kaufleuten den Deutschen Handels- und Gewerbeverein. List setzt sich für gemäßigte Schutzzölle und die Aufhebung der Zollschranken innerhalb des Deutschen Bundes ein. Eine Forderung, die die Regierung in Stuttgart nicht teilt, weshalb sie List die Professur entzieht. Als Abgeordneter seiner Heimatstadt Reutlingen kämpft er für die Einführung demokratischer Verwaltungsreformen und sieht sich bald mit einem Prozess »wegen staatlicher Aufreizung« konfrontiert. List wird zu Festungshaft verurteilt, flieht und stellt sich zwei Jahre später den Behörden. Erst als er verspricht in die Vereinigten Staaten auszuwandern,

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