Die Geschichte der Deutschen
Einmarsch seiner Truppen in Holstein. Eine ungeheure Provokation. Der Bundestag beschließt auf Antrag Wiens am 14. Juni die Mobilmachung gegen Preußen. Bismarck setzt wieder alles auf eine Karte und gewinnt. Eine einzige Schlacht entscheidet. Am 3. Juli 1866 werden die Truppen Österreichs in der Nähe der böhmischen Stadt Königgrätz vernichtend geschlagen. In kürzester Zeit ist ein jahrzehntelanges Ringen um die Vormacht in Deutschland entschieden.
Bertha von Suttner (1843–1914)
Miterlebt hat diese Schlacht die böhmische Adlige Bertha Freifrau von Suttner. Wie in Solferino Henri Dunant, erschüttert auch sie das schreckliche Morden. Sie bekennt sich zum Pazifismus und ist eine der ersten großen Gestalten des 19. Jahrhunderts, die sich für die Frauenbewegung engagieren. Sie wird zwar als Gräfin Kinsky in Prag geboren, gehört also dem hohen böhmischen Adel an, aber ihre Bücher und Schriften und ihr Denken sind tief verwurzelt in der deutschen Sprache und im deutsch-österreichischen Kulturraum. Sie heiratet den Romanschriftsteller Freiherr Arthur von Suttner und veröffentlicht bald auch zahlreiche Gesellschaftsromane. 1889 erscheint ihr zweibändiger Roman Die Waffen nieder. Er wird ein Bestseller und macht die Pazifistin und Schriftstellerin weltberühmt.
Das Buch wird in zwölf Sprachen übersetzt und stößt in der chauvinistischen Männergesellschaft, die ihre Ideale im Militärischen findet, auf scharfe Ablehnung. Die Autorin wird als »hysterischer Blaustrumpf« oder »Megäre des Friedens« beschimpft und verspottet. Nichts aber kann sie von ihrem Kurs abbringen. 1891 gründet sie die Österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde und wird Vizepräsidentin des Internationalen Friedensbüros in Bern. Sie gehört zu den Mitorganisatorinnen der ersten internationalen Friedensdemonstration der Frauen 1899 in Den Haag. Für Bertha von Suttner bilden die Friedensbewegung und die Frauenfrage eine Einheit: »Beide sind ihrem ganzen Wesen nach ein Kampf für die Macht des Gesetzes und gegen das Gesetz der Macht.« Ihren Ruhm und ihre Herkunft nutzt sie, um in Diskussionen mit Politikern und Diplomaten für ihre Ideen zu werben. So gelingt es ihr 1892, den schwedischen Chemiker und Sprengstofffabrikanten Alfred Nobel dazu zu überreden, einen Friedenspreis |159| zu stiften. Sie selbst wird für ihr Engagement 1905 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Die herausragende Rolle von Bertha von Suttner wird besonders deutlich, wenn man die Zeit, in der sie lebt, richtig einordnet. Frauen sind Ende des 19. Jahrhunderts nicht gleichberechtigt. Sie dürfen nicht wählen und allgemein wird ihnen als unpassendes Benehmen angerechnet, wenn sie sich politisch äußern. Noch mehr gilt dies für den Kreis, aus dem Bertha von Suttner stammt. Für adlige Frauen ist die Politik ein Tabuthema. Sie selbst erlebt die Katastrophe vom 1. August 1914, vor der sie in allen ihren Schriften und Reden so leidenschaftlich gewarnt hat, nicht mehr. Sechs Wochen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs stirbt Bertha von Suttner.
Im Frieden von Prag muss Österreich keine Gebiete abtreten, aber der Auflösung des Deutschen Bundes zustimmen und eine hohe Entschädigungssumme zahlen. Wien hat mit dem Ende des Frankfurter Bundestages jedes Mitbestimmungsrecht in der deutschen Politik verloren. So kann Bismarck Deutschland neu ordnen. Preußen annektiert Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt am Main. Unter der Führung Berlins wird der Norddeutsche Bund gegründet. Ihm gehören zunächst 17 norddeutsche Kleinstaaten an, dann treten ihm auch Hessen-Darmstadt, Sachsen und Sachsen-Meiningen bei. Der Reichstag wird nach dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht gewählt und Bismarck wird Bundeskanzler. Im Zollverein kommt es zum Zusammenschluss zwischen dem Norddeutschen Bund und vier süddeutschen Staaten. Damit beherrscht Preußen ganz Norddeutschland und die Konturen eines einheitlichen deutschen Staates werden sichtbarer.
»Aber besiegt habe ich Alle! Alle!« Bismarck triumphiert. Selbst seine liberalen Gegner verstummen. Das preußische Abgeordnetenhaus entlastet am 3. September 1866 die Regierung mit 230 gegen 75 Stimmen und billigt den Staatshaushalt. Damit ist der vierjährige Verfassungskonflikt beendet, der Bismarck an die Regierungsspitze gebracht hat. Schon unmittelbar nach dem Krieg gegen Österreich macht dieser im Kreise seiner Vertrauten klar, dass die Mainlinie für ihn keine ewige Grenze ist. Zielstrebig
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