Die Geschichte der Deutschen
offenbar einen Heidenspaß. Der Sohn Herbert wird später als Diplomat und Helfer des Vaters mit seinen arroganten und groben Umgangsformen in seiner Umgebung viel Ärger verursachen.
Im Jahr der Hochzeit beginnt in Berlin Bismarcks politische Karriere. Er übernimmt ein Abgeordnetenmandat im Vereinigten Landtag. Das ist keine sehr ausfüllende Tätigkeit, aber der Jungpolitiker ist begeistert: »Die Sache ergreift mich |155| viel mehr als ich dachte.« Zum ersten Mal mag Bismarck in diesen Monaten erkannt haben, dass die Politik alle seine Leidenschaften in eine Richtung kanalisiert. Als im März 1848 die Revolution ausbricht, ist er in Schönhausen. Sofort ruft er seine Bauern zusammen und teilt Jagdgewehre aus. Ein Marsch auf Berlin, wo er seinen König in den Händen der Aufständischen wähnt, will der spontane und aufbrausende Junker unternehmen. In Potsdam angekommen, klären ihn die Militärs über die Sinnlosigkeit seines Unterfangens auf. So erwirbt sich Bismarck mit seinen Auftritten und verbalen Entgleisungen rasch den Ruf eines bedenkenlosen Scharfmachers. Was er in diesen Jahren auch ist.
1851 wird er für acht Jahre Gesandter Preußens im Frankfurter Bundestag. Es ist die Zeit der neuerlichen Repression in Deutschland und der Verschärfung des politischen Konkurrenzkampfes zwischen Preußen und Österreich. Mit Bismarck sitzt dem österreichischen Gesandten ein scharfzüngiger Gegner gegenüber, der ihn in den Debatten ständig mit provokativen Reden reizt. Mit seiner Familie, zwei Söhne und eine Tochter sind inzwischen geboren, wohnt Bismarck in einer Villa in der Bockenheimer Landstraße. Schon damals trinkt er große Mengen Champagner und unterhält seine gelegentlich entsetzten Gäste mit klugen, ironischen und häufig auch polternden Reden. Für den Bundestag hat er nur Spott übrig: »Ich habe nie daran gezweifelt, dass sie alle mit Wasser kochen; aber eine solche nüchterne, einfältige Wassersuppe, in der auch nicht ein einziges Fettauge von Hammeltalg zu spüren ist, überrascht mich. Kein Mensch, selbst der böswilligste Zweifler von Demokrat, glaubt es, was für Scharlatanerie und Wichtigtuerei in dieser Diplomatie steckt.« Das schreibt er Johanna und die findet solche Bemerkungen Ottos wunderbar.
Mit dem Beginn der Regentschaft des Prinzen Wilhelm beginnt für den preußischen Gesandten eine schwere Zeit. In Berlin gibt es wie immer, wenn der Herrscher wechselt, Machtkämpfe der Höflinge. Bismarck hat schlechte Karten. Wilhelm verkündet eine »Neue Ära«. In seiner Thronrede erklärt er, dass Preußen in Deutschland »moralische Eroberungen« machen will. Es ist mit Blick auf Österreich der Versuch, die Sympathien der deutschen Länder für die preußische Sache zu gewinnen. Die angesichts der Restaurationspolitik unruhiger werdenden Gemüter im Land sollen durch eine liberalere preußische Regierung besänftigt werden. Da passt der »Reaktionär« Bismarck nicht ins Bild.
Er wird nach Petersburg und zwei Jahre später als Gesandter nach Paris abgeschoben. Bismarck reagiert in persönlichen Krisenzeiten mit Krankheiten und Unpässlichkeiten. Sein Nervenkostüm ist dünn, Depressionen lassen ihn an |156| Rücktritt oder gar Selbstmord denken. Doch der Zorn verraucht und er richtet sich in seiner neuen Lage ein. In all diesen Jahren verliert er die Berliner Politik und die Entwicklungen am Hof nicht aus den Augen. Er will keine Chance zum Neueinstieg in die preußische Politik verpassen. Trotz seiner Ungeduld sind die Gesandtenjahre im Ausland eine wichtige Lehrzeit. Nie hätte er bessere Einblicke in das Innenleben der Kaiserhöfe seiner Gastländer erhalten können als in dieser Zeit. Er sieht, wie rückständig Russland ist. In Paris studiert er den kaiserlichen Emporkömmling Napoleon III., damals noch einer der starken Männer Europas, bald Bismarcks Gegner.
Am 18. September 1862 erreicht ihn in Paris ein Telegramm von Kriegsminister Roon: »Gefahr im Verzug, beeilen Sie sich!« Bismarck wirft sich in den Zug und am 22. September steht er vor seinem Monarchen, der ein Jahr zuvor in Königsberg gekrönt worden ist. Wilhelm hat lange gezögert, den von ihm – und vor allem von Königin Augusta – wenig geliebten Diplomaten als Ministerpräsidenten in Erwägung zu ziehen. Die Verfassungskrise lässt ihm jedoch kaum eine andere Wahl, wenn er den schon ernsthaft erwägten Rücktritt vom Königsamt doch noch vermeiden will. Bismarck weiß, dass sich in dieser Begegnung sein
Weitere Kostenlose Bücher