Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
wenn es überhaupt möglich war, sich Morgoths Geheiß zu widersetzen, so tat Húrin es jedenfalls nicht. Das geschah zum Teil, wie mein Vater sagte, aus Liebe zu seiner Familie und seiner brennenden Sorge um sie, die ihn dazu trieben, alles über sie in Erfahrung zu bringen, was er konnte. Zum Teil aber war auch Stolz der Grund, weil Húrin glaubte, dass er Morgoth im Wortstreit besiegt hatte und dass er dem Blick Morgoths standhalten oder sich zumindest seine kritische Vernunft bewahren und zwischen Tatsache und Lüge unterscheiden konnte.
Während der gesamten Abenteuer Túrins nach dem Abschied seines Vaters aus Dor-lómin und des ganzen Lebens von Túrins Schwester Nienor, die ihren Vater niemals sah, war dies das Schicksal Húrins, der, erfüllt von wachsender Bitterkeit, die ihm von seinem Peiniger eingeflößt wurde, unbeweglich an einer hohen Stätte der Thangorodrim saß.
In der Geschichte Túrins, der sich Turambar, »Meister des Schicksals«, nannte, erscheint der Fluch Morgoths als eine böse Macht, die ihre Opfer aufspürt und überwältigt; so heißt es von dem gefallenen Vala selbst, er fürchte, Túrin könnte »zu solch einer Macht anwachsen, dass der Fluch, der ihm auferlegt wurde, nichtig werden und er dem Schicksal entrinnen würde, das ihm zugedacht war« (S. 157–8). Und später in Nargothrond verschwieg Túrin seinen wahren Namen und wurde zornig, als Gwindor diesen enthüllte: »Nun aber hast du übel an mir gehandelt, Freund, indem du meinen Namen verraten und das Schicksal auf mich herabgerufen hast, vor dem ich mich verbergen wollte.« Es war Gwindor,der Túrin von dem Gerücht erzählt hatte, welches in Angband umging, wo Gwindor gefangen gehalten worden war, dass nämlich Morgoth Húrin und seine ganze Sippe mit einem Fluch belegt habe. Doch auf Túrins Zornesausbruch antwortete er: »Dein Schicksal liegt in dir, nicht in deinem Namen.«
So wesentlich ist diese komplexe Idee in der Geschichte, dass mein Vater sogar einen alternativen Titel dafür in Erwägung zog: Narn e·’Rach Morgoth , die Geschichte von Morgoths Fluch. Und seine eigene Einschätzung ist in den Worten zu finden: »So endete die Geschichte von Túrin dem Glücklosen; die schlimmste der Taten Morgoths unter den Menschen in der alten Welt.«
Als Baumbart durch den Wald von Fangorn schritt, mit Merry und Pippin in seinen knorrigen Armen, sang er zu ihnen von Orten, die er in alten Zeiten gekannt hatte, und von den Bäumen, die dort wuchsen:
Ich ging durch die Fluren von Tasarinan im Frühling.
Ah! Der Duft und die Farben des Frühlings in Nan-tasarion!
Und ich sagte: Dieses ist gut.
Ich zog durch die Ulmenwälder von Ossiriand im Sommer.
Ah! Die Musik und das Licht im Sommer an den Sieben Strömen von Ossir!
Und ich dachte: Dies ist das Beste.
Zu den Buchen von Neldoreth kam ich im Herbst.
Ah! Das Gold und das Rot und das Seufzen der Blätter im Herbst in Taur-na-neldor!
Jeder Wunsch war gestillt.
Zu den Kiefern im Hochland von Dorthonion stieg ich im Winter hinauf.
Ah! Der Wind und das Weiß und das schwarze Geäst des Winters auf Orod-na-Thôn!
Zum Himmel stieg meine Stimme hinauf und sang.
Nun aber liegen all jene Länder unter der Woge,
Und ich wandre in Ambarona, in Tauremorna, in Aldalóme,
In meinem eigenen Reich, im Fangornlande,
Wo Wurzeln tief hinabreichen.
Und die Jahre schichten sich höher als Laub unter Bäumen
In Tauremornalóme.
Die Erinnerung von Baumbart, »Ent, der Erdspross, alt wie die Berge«, reichte wahrlich tief. Er erinnerte sich an alte Wälder in dem großen Land Beleriand am Ende der Ältesten Tage. Das Große Meer überflutete und versenkte alle Lande westlich der Ered Luin, der Blauen Berge, die später Ered Lindon genannt wurden, sodass die Karte im Anhang zu Das Silmarillion im Osten bei der Bergkette aufhört, mit der die Karte im Anhang zu Der Herr der Ringe im Westen beginnt. Die Küstenlandstriche jenseits der Berge, die auf dieser Karte Forlindon und Harlindon (Nord-Lindon und Süd-Lindon) heißen, sind alles, was im Dritten Zeitalter von dem Land geblieben ist, das Ossiriand, »Land der Sieben Flüsse«, oder auch Lindon genannt wurde und in dessen Ulmenwäldern Baumbart einst wandelte.
Er wandelte auch unter den großen Kiefern auf dem Hochland von Dorthonion, dem »Land der Kiefern«, das später den Namen Taur-nu-Fuin, »Wald unter dem Nachtschatten«, erhielt, als Morgoth es in ein »Gebiet des Schreckens und dunklen Zaubers, der Irrungen und der
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