Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
noch zu irgendeiner anderen Zeit eine Streitmacht aus Doriath aussenden.«
»Dennoch bist du frei, zu gehen, wenn du willst, Morwens Sohn«, sagte Melian. »Der Gürtel Melians hindert niemanden zu gehen, der mit unserer Erlaubnis hierhergekommen ist.«
»Falls ein kluger Rat dich nicht zurückhält«, sagte Thingol.
»Was rätst du mir, Herr?«, fragte Túrin.
»Der Größe nach wirkst du wie ein Mann«, sagte Thingol, »und bereits stärker als so mancher, aber dennoch hast du dievolle Mannesreife noch nicht erreicht. Bis dies so weit ist, solltest du geduldig sein und deine Kraft erproben und üben. Dann magst du vielleicht an deine Familie denken; aber es gibt wenig Hoffnung, dass ein Mann allein mehr gegen den Dunklen Herrscher tun kann, als den Elbenfürsten bei ihrem Abwehrkampf zu helfen, wie lange dies auch währen mag.«
»Beren, mein Blutsverwandter, hat mehr getan«, erwiderte Túrin.
»Beren und Lúthien«, sagte Melian. »Aber du bist vermessen, so zum Vater Lúthiens zu sprechen. Für solche Höhen hat dich das Geschick nicht bestimmt, Túrin, Morwens Sohn, obwohl dein Schicksal im Guten wie im Bösen mit dem des Elbenvolkes verflochten ist. Gib auf dich selbst Acht, damit es sich nicht zum Bösen wendet.« Nach einigem Schweigen wandte sie sich noch einmal an ihn und sagte: »Geh jetzt, Ziehsohn, und nimm den Rat des Königs an. Das wird immer klüger sein, als deinem eigenen Rat zu folgen. Doch glaube ich nicht, dass du lange bei uns in Doriath bleiben wirst, wenn du erst ein Mann geworden bist. Wenn du dich in künftigen Tagen der Worte Melians erinnerst, wird es zu deinem Besten sein: Hüte dich ebenso vor der Hitze wie vor der Kälte deines Herzens, und übe dich in Geduld, wenn du kannst.«
Darauf verbeugte sich Túrin und ging. Bald danach setzte er den Drachenhelm auf, nahm seine Waffen und begab sich in die nördlichen Grenzlande zu den Elbenkriegern, die dort einen nie endenden Kampf gegen Orks und alle Knechte und Kreaturen Morgoths führten. So wurden, obwohl er kaum dem Knabenalter entwachsen war, seine Kraft und sein Mut erprobt. Wegen des Unrechts, das man seinem Geschlecht angetan hatte, tat er sich bei wagemutigen Unternehmungen stets hervor und empfing viele Wunden von Speeren, Pfeilen oder den gekrümmten Klingen der Orks.
Doch sein Schicksal hielt den Tod von ihm fern. Durch die Wälder aber lief die Kunde und drang weit über Doriaths Grenzen hinaus, dass der Drachenhelm von Dor-lómin wieder gesichtet worden sei. Viele wunderten sich darüber und sagten: »Kann der Geist Hadors oder Galdors des Langen von den Toten zurückgekehrt sein, oder ist Húrin aus Hithlum wahrhaftig den Tiefen der Hölle entflohen?«
Einer nur war zu dieser Zeit unter den Grenzwachen Thingols Túrin im Führen der Waffen überlegen, und das war Beleg Langbogen. Beleg und Túrin wurden Gefährten in jeglicher Gefahr, und sie drangen zusammen weit in die Tiefen der wilden Wälder vor.
So vergingen drei Jahre, und während dieser Zeit kam Túrin nur selten in Thingols Hallen. Er vernachlässigte sein Äußeres und seine Kleidung, sein Haar war zerzaust, und über seinem Panzer trug er einen grauen, wettergegerbten Umhang. Doch im dritten Sommer, als Túrin zwanzig Jahre alt war, traf es sich, dass ihn nach Ruhe verlangte und seine schartigen Waffen eines Schmiedes bedurften. Deshalb kam er eines Abends unerwartet nach Menegroth und trat in die Halle. Thingol war nicht zugegen; denn Melian und er ergingen sich im Wald, wie sie es im Hochsommer gern taten. Túrin strebte ahnungslos einem Sitzplatz zu, denn er war müde und in Gedanken verloren. Zum Unglück setzte er sich unter die Ältesten des Reiches an einen Tisch und auf einen Platz, auf dem Saeros zu sitzen pflegte. Saeros, der verspätet hinzukam, glaubte, Túrin habe dies aus Stolz getan und in der Absicht, ihn zu kränken, und wurde zornig. SeinZorn wurde noch gesteigert, als er feststellte, dass die dort Sitzenden Túrin deswegen nicht zurechtwiesen, sondern ihn in ihrer Mitte willkommen hießen.
Deshalb heuchelte er eine Weile Gleichmut, nahm einen anderen Platz ein und musterte Túrin über den Tisch hinweg. »Der Wächter der Mark beehrt uns selten mit seiner Gesellschaft«, sagte er, »und für den Vorzug, mit ihm sprechen zu dürfen, stelle ich ihm gern meinen angestammten Platz zur Verfügung.« Aber Túrin, der im Gespräch mit Mablung, dem Jäger, war, stand nicht auf und sagte nur: »Ich danke dir.«
Saeros behelligte ihn dann
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