Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
einen unüberlegten Hieb. Auch in anderen Belangen schien er nicht vom Glück begünstigt zu sein, sodass seine Pläne oft scheiterten und er nicht erreichte, was er sich vorgenommen hatte. Auch Freundschaften schloss er nicht leicht; denn er war nicht heiter und lachte selten, und über seiner Jugend lag ein Schatten. Dennoch bezeugten ihm die, die ihn gut kannten, Liebe und Wertschätzung, und er wurde als Ziehsohn des Königs hoch geehrt.
Doch einen gab es in Doriath, der ihm dies neidete, und zwar umso mehr, je näher Túrin dem Mannesalter kam. Sein Name war Saeros. Er war stolz und behandelte jeden mit Hochmut, der ihm von niedrigerem Stand und geringerem Wert als er selbst erschien. Er schloss Freundschaft mit Daeron, dem Sänger, denn er beherrschte ebenfalls die Sangeskunst. Für Menschen hatte er nichts übrig, und schon gar nicht für einen, der zum Geschlecht Beren Erchamions gehörte. »Ist es nicht merkwürdig«, sagte er, »dass dieses Land noch einem zweiten Angehörigen dieser unglücklichen Rasse geöffnet wurde? Hat nicht der andere schon genug Unheil in Doriath angerichtet?« Deshalb sah er Túrin scheel an und redete schlecht über alles, was dieser tat; doch seine Worte waren doppeldeutig, und er zeigte seine Bosheit nicht offen. Traf er mit Túrin allein zusammen, sprach er herablassend zu ihm und machte aus seiner Geringschätzung kein Hehl. Túrin aber ließ sich nicht reizen und begegnete den bösen Worten mit Schweigen; denn Saeros genoß Ansehen beim Volk von Doriath und gehörte zu den Beratern des Königs. Aber das Schweigen Túrins missfiel Saeros ebenso wie dessen Worte.
In dem Jahr, als Túrin siebzehn Jahre alt war, wurde sein Schmerz aufs Neue entfacht, denn zu dieser Zeit blieben die Nachrichten aus seiner Heimat aus. Morgoths Macht warvon Jahr zu Jahr gewachsen, und ganz Hithlum lag jetzt unter seinem Schatten. Ohne Zweifel wusste er viel über das Treiben von Húrins Familie und hatte sie eine Zeitlang nicht behelligt, damit seine Pläne in Ruhe reifen konnten. Doch nun hatte er Befehl gegeben, alle Pässe des Schattengebirges streng zu überwachen, sodass niemand Hithlum verlassen oder betreten konnte, außer unter größter Gefahr. Die Orks umschwärmten die Quellen von Narog und Teiglin und den Oberlauf des Sirion. So kam es, dass Thingols Boten eines Tages nicht mehr zurückkehrten, worauf er keine weiteren mehr aussandte. Er hatte Streifzüge über die bewachten Grenzen von Doriath hinaus immer abgelehnt, und nichts zeigte seine Großmut gegenüber Túrin und dessen Familie besser, als dass er Männer seines Volkes über die gefährlichen Pfade zu Morwen nach Dor-lómin gesandt hatte.
Jetzt wurde Túrins Herz schwer, weil er nicht wusste, welches neue Unheil sich anbahnte, und er befürchtete, Morwen und Nienor sei Schlimmes zugestoßen. Viele Tage lang verharrte er schweigend und zerbrach sich den Kopf über den Untergang des Hauses Hador und der Menschen des Nordens. Dann stand er auf und suchte Thingol. Er fand ihn mit Melian unter der Hírilorn, der großen Buche von Menegroth, sitzend.
Thingol sah ihn erstaunt an; denn plötzlich erblickte er statt seines Ziehsohns einen Mann und einen Fremdling, hochgewachsen, dunkelhaarig, aus dessen bleichem Gesicht ihn unergründliche Augen anblickten. Túrin aber blieb stumm.
»Was wünschst du, Ziehsohn?«, fragte Thingol und ahnte, dass es sich um keine geringe Bitte handeln würde.
»Panzer, Schwert und Schild für einen von meiner Größe, Herr«, antwortete Túrin. »Und mit deiner Erlaubnis erhebe ich jetzt Anspruch auf den Drachenhelm meiner Väter.«
»Dies alles sollst du haben«, sagte Thingol. »Doch aus welchem Grund brauchst du diese Waffenrüstung?«
»Weil ich ein Mann bin«, sagte Túrin, »und ein Sohn, der sich seiner Familie erinnern muss. Und ich brauche auch tapfere Waffengefährten.«
»Ich werde dir einen Platz unter meinen Schwertrittern zuweisen, denn das Schwert wird immer deine Waffe sein«, sagte Thingol. »Mit ihnen magst du dich in den Marken im Krieg erproben, wenn dies dein Begehr ist.«
Aber Túrin antwortete: »Mein Herz zieht mich über die Grenzmarken Doriaths hinaus. Mich verlangt eher nach einem Angriff auf den Feind als nach der Verteidigung der Grenzen.«
»Dann musst du allein gehen«, sagte Thingol darauf. »Über die Teilnahme meines Volkes am Krieg mit Angband befinde ich, wie es mir die Klugheit gebietet, Túrin, Húrins Sohn. Soweit ich voraussehen kann, werde ich weder jetzt
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