Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
Dorlas.
»Es ist der einzige Weg, ob in den Tod oder zum Leben«,sagte Turambar, »und ein Aufschub wird ihn nicht hoffnungsvoller machen. Also folgt mir!« Und er ging ihnen voran, und durch Geschicklichkeit und Mut, oder weil das Schicksal es wollte, gelangte er hinüber. In der tiefen Dunkelheit wandte er sich um, um zu sehen, wer ihm folgte. Eine dunkle Gestalt stand neben ihm. »Dorlas?«, fragte er.
»Nein, ich bin es«, sagte Hunthor. »Beim Übergang hat Dorlas der Mut verlassen. Denn ein Mann kann für den Krieg sein und doch viele Dinge fürchten. Er sitzt zitternd am Ufer, glaube ich. Schämen soll er sich wegen der Worte, die er zu meinem Verwandten gesagt hat!«
Nun machten Turambar und Hunthor eine kurze Rast, doch bald ließ die Kühle der Nacht sie frösteln, denn sie waren beide vom Wasser durchweicht, und sie begannen einen Weg den Strom entlang nach Norden zu suchen, zu der Stelle, wo Glaurung sich aufhielt. Die Schlucht wurde dunkler und enger, und während sie sich vorwärtstasteten, sahen sie über sich ein Flackern wie von einem schwelenden Feuer und hörten das Grollen des Großen Wurms in seinem wachsamen Schlaf. Dann suchten sie tastend einen Weg nach oben, um dicht unter den Rand des Abhangs zu gelangen, denn ihre ganze Hoffnung lag darin, in die Nähe der ungeschützten Unterseite ihres Feindes zu kommen. Doch so ekelerregend war jetzt der Gestank, dass ihnen schwindlig wurde, sie glitten beim Klettern aus, klammerten sich an die Baumstämme und Wurzeln, und in ihrem Elend vergaßen sie jede Angst außer jener, in den Rachen des Teiglin zu fallen.
Da sagte Turambar zu Hunthor: »Wir vergeuden nutzlos unsere schwindenden Kräfte. Solange wir nämlich nicht wissen, an welcher Stelle der Drache die Schlucht überquert, ist es zwecklos, hinaufzuklettern.«
»Aber wenn wir es wissen«, erwiderte Hunthor, »wird die Zeit nicht reichen, einen Aufstieg aus der Schlucht zu suchen.«
»Das ist wahr«, sagte Turambar. »Doch wo alles vom Zufall abhängt, müssen wir auf diesen vertrauen.« Deshalb machten sie Halt und warteten; und aus der Tiefe der Schlucht beobachteten sie einen weißen Stern, der sich hoch oben über den schmalen Streifen Himmel bewegte. Und dann sank Turambar allmählich in einen Traum, worin er all seinen Willen aufwandte, um sich festzuhalten, obwohl eine schwarze Flut an seinen Gliedern sog und zerrte.
Plötzlich entstand ein gewaltiger Lärm, und die Wände der Schlucht erzitterten und hallten wider. Turambar raffte sich auf und sagte zu Hunthor: »Er rührt sich. Die Stunde ist gekommen. Stoß tief zu, denn jetzt müssen zwei für drei den Stoß führen!«
Und damit begann Glaurung seinen Angriff gegen Brethil, und alles vollzog sich beinahe so, wie Turambar es erhofft hatte. Der Drache kroch nämlich jetzt mit trägem Gewicht zum Klippenrand; er wich nicht seitlich aus, sondern schickte sich an, mit seinen großen Vorderbeinen über den Abgrund zu setzen und dann seinen Rumpf nachzuziehen. Doch dann überkam sie ein Schrecken; denn Glaurung begann seinen Übergang nicht direkt über ihnen, sondern ein Stück weiter nördlich, und die Beobachter sahen von unten den ungeheuren Schattenriss seines Kopfes gegen die Sterne; seine Kiefer klafften auf, und er hatte sieben feurige Zungen. Dann entfuhr ihm ein Feuerstrahl, sodass die Schlucht in rotes Licht getaucht war und schwarze Schatten über die Felsen flogen. Die Bäume vor ihm verdorrten und gingen in Rauch auf, und Steine krachten in den Fluss hinab. Unddann schleuderte er sich nach vorn, packte die gegenüberliegende Klippe mit seinen Klauen und begann sich hinüberzuziehen.
Nun galt es mutig und schnell zu sein. Wenn Turambar und Hunthor dem Feuerstrahl auch entgangen waren, da sie sich nicht direkt im Weg des Drachen befanden, mussten sie dennoch an Glaurung herankommen, bevor er ganz hinübergelangt war, oder alle ihre Hoffnung war vergebens gewesen. Ungeachtet der Gefahr kletterte Turambar an der Klippe entlang, um unter den Drachen zu gelangen; doch so tödlich waren dort die Hitze und der Gestank, dass er taumelte und gestürzt wäre, hätte nicht Hunthor, der ihm standhaft folgte, seinen Arm gepackt und ihm Halt gegeben.
»Tapferes Herz!«, sagte Turambar. »Es war eine glückliche Wahl, dich zum Helfer zu machen!« Doch indem er dies sagte, fiel ein großer Stein von oben herab, traf Hunthor am Kopf, und er stürzte in die Tiefe. So endete Hunthor, nicht der Geringste unter den Tapferen aus dem Hause
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