Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
Haleth. Da schrie Turambar: »Wehe! Es bringt Unglück, in meinem Schatten zu wandeln! Warum habe ich Hilfe gesucht? Jetzt bist du allein, Meister des Schicksals, wie du es hättest wissen müssen. Jetzt musst du das Schicksal allein bezwingen!«
Da nahm er all seine Willenskraft und seinen ganzen Hass gegen den Drachen und dessen Meister zusammen, und es schien ihm, als gewinne er plötzlich eine Stärke an Körper und Geist, die er vorher nicht gekannt hatte. Von Stein zu Stein erkletterte er die Klippe, von Wurzel zu Wurzel, bis er schließlich ein schlankes Bäumchen zu fassen bekam, das ein wenig unterhalb des Randes der Schlucht wuchs; und obwohl seine Krone verbrannt war, hielt es sich noch mit seinen Wurzeln fest. Und gerade als er in einer Astgabel einen festen Haltsuchte, schob sich der mittlere Teil des Drachenkörpers über ihn, der durch seine Schwere fast bis auf Turambars Kopf durchhing, bevor Glaurung ihn hochstemmen konnte. Die Unterseite war bleich und runzlig und überall feucht von grauem Schleim, von dem sich allerlei Unrat löste, und sie stank nach Tod. Da zog Turambar das Schwarze Schwert Belegs, und mit der ganzen Kraft seines Armes und seines Hasses stieß er es nach oben, und die tödliche Klinge drang lang und gierig bis zum Heft in den Bauch.
Darauf stieß Glaurung, zu Tode getroffen, einen Schrei aus, der alle Wälder erschütterte und die Wächter am Nen Girith mit Entsetzen erfüllte. Turambar taumelte wie unter einem Schlag und glitt nach unten; sein Schwert wurde ihm aus der Hand gerissen und blieb im Bauch des Drachen stecken. Denn Glaurung schleuderte in einem gewaltigen Krampf seinen bebenden Rumpf in die Höhe und warf sich über die Schlucht hinweg. Dort auf der anderen Seite krümmte er sich im Todeskampf, schreiend, um sich schlagend und zuckend, bis er weit um sich herum alles zertrümmert hatte und schließlich umgeben von Rauch und Zerstörung dalag, auf einmal still.
Turambar klammerte sich an die Baumwurzeln, betäubt und beinahe übermannt. Doch er kämpfte mit sich selbst und trieb sich an, und halb rutschend, halb kletternd kam er zum Fluss hinab. Noch einmal, jetzt auf Händen und Füßen kriechend und sich festklammernd, wagte er den gefährlichen Übergang, von Gischt geblendet, bis er endlich hinübergelangte, und mühsam stieg er durch den Felsspalt, durch den sie hinabgeklettert waren. So kam er schließlich an den Ort, wo der sterbende Drache lag, blickte ohne Mitleid auf seinen zu Tode getroffenen Feind und war froh.
Dort lag Glaurung nun mit aufklaffendem Maul, doch alle seine Feuer waren erloschen und seine bösen Augen geschlossen. Er war der Länge nach ausgestreckt auf eine Seite gerollt, und Gurthangs Heft stak in seinem Bauch. Da ging Turambars Herz vor Freude über, und obwohl der Drache noch atmete, wollte er das Schwert wiedererlangen, das ihm vordem schon teuer gewesen, doch jetzt so viel wert war wie alle Schätze Nargothronds. Wahr erwies sich das Wort, das sein Schmied einst gesprochen: dass nichts, ob groß ob klein, gegen einen Hieb oder Stich von ihm gefeit sein sollte.
Darum ging er auf seinen Feind zu, setzte den Fuß auf dessen Bauch, ergriff Gurthangs Heft und nahm seine ganze Kraft zusammen, um es herauszuziehen. Und er rief, Glaurungs Worte bei Nargothrond verspottend: »Heil, Wurm Morgoths! Wohl getroffen! Stirb nun, und die Finsternis nehme dich auf! So ist Túrin, Húrins Sohn, gerächt!« Damit riss er das Schwert heraus, doch in diesem Augenblick schoss ein Strahl schwarzen Blutes hervor, traf seine Hand, und sein Fleisch wurde durch das Gift verbrannt, so dass er vor Schmerz laut aufschrie. Darob rührte sich Glaurung, öffnete seine unheilvollen Augen und blickte Túrin mit solcher Bosheit an, dass diesem war, als habe ihn ein Pfeil getroffen. Dieser Blick und der rasende Schmerz in seiner Hand ließen ihn ohnmächtig hinsinken, dass er wie tot neben dem Drachen liegen blieb und sein Schwert unter sich begrub.
Nun waren die Schreie Glaurungs zu den Leuten am Nen Girith gedrungen und hatten sie mit Entsetzen erfüllt. Als die Wächter aus der Ferne die Verwüstungen und den Brand sahen, die der Drache in seinem Todeskampf anrichtete, glaubten sie, dass er seine Angreifer niedertrample und vernichte. Da wünschten sie wirklich, sie wären ihm nicht sonahe gekommen, aber sie wagten es nicht, die hochgelegene Stätte, wo sie sich zusammendrängten, zu verlassen. Sie erinnerten sich nämlich, dass Turambar gesagt hatte, falls der
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