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Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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damit?
    Geh, hol’s dir wieder.
    Ich kniete mich hin und begann die Seiten aufzulesen.
    Nicht dieses!
    Welches sonst?
    Ai-jai-jai! , sagte Bruno und schlug sich an die Stirn. Muss ich dir denn alles sagen?
    Ein leises Lächeln trat auf meine Lippen.
    Dreihunderteins , sagte Bruno. Er zuckte die Achseln und schaute weg, aber ich glaubte, ihn lächeln zu sehen. Das ist keine Kleinigkeit.

FLUT
    1. WIE MAN OHNE STREICHHÖLZER FEUER MACHT
Ich suchte im Internet nach Alma Mereminski. Ich dachte, es könnte ja sein, dass jemand über sie geschrieben hatte oder ich irgendetwas über ihr Leben fand. Ich tippte ihren Namen ein und ging auf Suchen. Aber es kam nichts, außer einer Liste von Immigranten, die 1891 in New York City angekommen waren (Mendel Mereminski), und einer Liste von Holocaust-Opfern, die in Yad Vashem erstellt worden war (Adam Mereminski, Fanny Mereminski, Nacham, Zellig, Hershel, Bluma, Ida, aber zu meiner Erleichterung, weil ich sie nicht verlieren wollte, bevor ich überhaupt begonnen hatte, sie zu suchen, keine Alma).
    2. MEIN BRUDER RETTET MIR STÄNDIG DAS LEBEN
Onkel Julian kam eine Weile zu uns. Er wollte so lange in New York bleiben, bis er die letzten Forschungen zu einem Buch über den Maler und Bildhauer Alberto Giacometti, an dem er seit fünf Jahren schrieb, abgeschlossen hatte. Tante Frances musste in London bleiben und auf den Hund aufpassen. Onkel Julian schlief in Birds Bett, Bird in meinem und ich auf dem Fußboden in meinem hundertprozentigen Daunenschlafsack, obwohl ein richtiger Naturmensch keinen gebraucht hätte, weil er im Notfall einfach ein paar Vögel töten und sich ihre Federn zum Warmhalten unter die Kleidung stopfen konnte.
Nachts hörte ich meinen Bruder manchmal im Schlaf reden. Halbe Sätze, nichts, was zu verstehen war. Bis auf einmal, als er so laut sprach, dass ich glaubte, er sei wach. «Tritt da nicht hin», sagte er. «Was?», fragte ich, indem ich mich aufsetzte. «Es ist zu tief», murmelte er und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand.
    3. ABER WARUM
An einem Samstag gingen Bird und ich mit Onkel Julian ins Museum of Modern Art. Bird bestand darauf, seinen Eintritt selbst aus seiner Limonadenkasse zu bezahlen. Wir liefen herum, während Onkel Julian sich oben mit einem Kurator unterhielt. Bird fragte einen Aufpasser, wie viele Wasserspender es im Gebäude gebe. (Fünf.) Er machte unheimliche Videospielgeräusche, bis ich ihm sagte, er solle still sein. Dann zählte er die Leute mit sichtbaren Tätowierungen. (Acht.) Wir standen vor einem Gemälde mit einem Haufen auf dem Boden zusammengesunkener Menschen. «Warum liegen sie so da?», fragte er. «Jemand hat sie umgebracht», sagte ich, obwohl ich gar nicht genau wusste, warum sie da lagen und ob es überhaupt Menschen waren. Ich ging quer durch den Saal, um mir ein anderes Gemälde anzusehen. Bird kam hinterher. «Aber warum hat jemand sie umgebracht?» – «Weil er Geld brauchte und in ein Haus eingebrochen ist», sagte ich und betrat die abwärts führende Rolltreppe.
In der U-Bahn nach Hause tippte Bird mir auf die Schulter. «Aber warum brauchte er Geld?»
    4. STOCHERN IM NEBEL
«Warum glaubst du, diese Alma in Geschichte der Liebe ist wirkliche Person?», fragte Misha. Wir saßen auf der Bank hinter seiner Mietskaserne, die Füße im Sand vergraben, und aßen Mrs.   Shklovskys Sandwiches mit Roastbeef und Meerrettich. «Eine», sagte ich. – «Eine was?» – «Eine wirkliche Person.» – «Schon gut», sagte Misha. «Beantworte die Frage.» – «Natürlich ist sie wirklich.» – «Aber woher weißt du?» – «Weil es nur eine Erklärung dafür gibt, warum Litvinoff, als er das Buch schrieb, ihr keinen spanischen Namen gegeben hat wie allen anderen.» – «Warum?» – «Er konnte nicht.» – «Warum nicht?» – «Begreifst du nicht?», sagte ich. «Er konnte jede Einzelheit verändern, aber nicht sie.» – «Aber warum ?» – Seine Begriffsstutzigkeit war deprimierend. «Weil er in sie verliebt war!», sagte ich. «Weil sie für ihn das einzig Wirkliche war.» Misha kaute auf einem Stück Roastbeef herum. «Ich glaube, du siehst zu viele Filme», sagte er. Aber ich wusste, dass ich Recht hatte. Wenn man die Geschichte las, brauchte man kein Genie zu sein, um das zu erraten.
    5 . DIE DINGE, DIE ICH SAGEN WILL, BLEIBEN MIR IM MUND STECKEN
Wir gingen über die hölzerne Promenade nach Coney Island. Es war brüllend heiß, und ein Rinnsal Schweiß tropfte Misha von den Schläfen. Im Vorbeigehen

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