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Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Titel: Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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Pläne und Kniffe zu ersinnen, um Manon zu Hilfe zu kommen. Ich war fest davon überzeugt, dass ihr Gefängnis noch unbezwinglicher war als das meine. Zwangsmittel und Gewalt waren ausgeschlossen; hier kam es auf Gewitztheit an; doch selbst die Göttin der Erfindungsgabe hätte nicht gewusst, wie das Projekt anzugehen sei. Ich gewann so wenig Klarheit, dass ich weitere Überlegungen auf später verschob, bis ich mir über die Verhältnisse im Inneren des Hôpital genauere Aufklärung verschafft hätte.
    Sobald die Nacht mir meine Freiheit wiedergegeben hatte, bat ich Lescaut, mich zu begleiten. Wir knüpften mit einem der Pförtner, der ein verständiger Mann zu sein schien, ein Gespräch an. Ich gab vor, ein Fremder zu sein, der über das Hôpital général und die dort herrschende Ordnung mit Bewunderung habe sprechen hören. Ich fragte ihn über die kleinsten Einzelheiten aus, und unter anderem kamen wir auch auf die Verantwortlichen zu sprechen, und ich bat ihn, mir deren Namen und Stellung zu nennen. Die Auskünfte, die er mir über sie gab, brachten mich auf einen Gedanken, zu dem ich mich sogleich beglückwünschte und den ins Werk zu setzen ich nicht zögerte. Ich fragte ihn, da es sich um ein wesentliches Element meines Planes handelte, ob diese Herren Kinder hätten. Er sagte, da könne er mir keine sichere Auskunft geben, doch was Monsieur de T… angehe, der zum Vorstand gehöre, so wisse er, dass er einen Sohn im heiratsfähigen Alter habe, denn der sei mehrere Male mit seinem Vater im Hôpital gewesen. Diese Vergewisserung genügte mir. Gleich danach beendete ich das Gespräch, und als wir im Haus Lescauts angelangt waren, legte ich ihm den Plan dar, den ich mir ausgedacht hatte.
    «Ich kann mir vorstellen», sagte ich, «dass der junge Monsieur de T…, der reich und aus guter Familie ist, einen gewissen Geschmack an Lustbarkeiten findet, wie die meisten jungen Leute seines Alters. Er dürfte kaum ein Weiberfeind sein und nicht so ungalant, dass er seine Dienste in einer Liebesangelegenheit verweigern würde. Ich habe die Absicht, ihn für Manons Befreiung zu gewinnen. Wenn er ein Ehrenmann ist und hochherzig, wird er uns aus Großmut seine Hilfe gewähren. Wenn er nicht bereit ist, sich von solchen Regungen leiten zu lassen, wird er doch zumindest für ein liebenswertes Mädchen etwas tun, und sei es in der Hoffnung, ihrer Gunst teilhaftig zu werden. Ich will ihn unverzüglich aufsuchen», setzte ich hinzu, «spätestens morgen. Ich empfinde so viel Trost bei diesem Plan, dass ich darin ein gutes Vorzeichen sehe.»
    Selbst Lescaut räumte ein, dass mein Einfall etwas für sich habe und wir hoffen könnten, auf diesem Weg etwas zu erreichen. Und so verbrachte ich die Nacht etwas weniger traurig.
    Als der Morgen gekommen war, kleidete ich mich so schicklich, wie es mir in meiner Bedürftigkeit möglich war, und ließ mich in einer Droschke zum Haus von Monsieur de T… fahren. Er war überrascht, Besuch von einem Unbekannten zu bekommen. Seine Gesichtszüge und sein höfliches Gebaren waren mir ein gutes Vorzeichen. Ich erklärte mich ihm ganz unverstellt, und um seine natürlichen Empfindungen zu erwecken, sprach ich zu ihm von meiner Leidenschaft und von den Vorzügen meiner Geliebten wie von zwei Dingen, die einander in nichts nachstünden. Er sagte, wenn er auch Manon niemals gesehen habe, so habe er doch von ihr gehört, zumindest wenn es sich um die Person handele, die die Geliebte des alten G… M… gewesen sei. Ich zweifelte nicht daran, dass er über die Rolle aufgeklärt war, die ich bei diesem Abenteuer gespielt hatte, und um ihn mehr und mehr für mich einzunehmen und mein Vertrauen in ihn zu meinen Gunsten wirken zu lassen, erzählte ich ihm in allen Einzelheiten, was Manon und mir widerfahren war.
    «Sehen Sie, Monsieur», fuhr ich fort, «was für mein Leben und mein Herz von Bedeutung ist, liegt jetzt in Ihren Händen. Das eine ist mir nicht teurer als das andere. Ich spreche ganz offen zu Ihnen, denn ich habe von Ihrer Großmut erfahren, und da wir etwa gleichen Alters sind, hege ich die Hoffnung, dass das vielleicht auch für unsere Neigungen gilt.»
    Er schien sehr empfänglich zu sein für diese Bekundung von Offenheit und Aufrichtigkeit. Seine Antwort war die eines Mannes von Welt und von einer Hochherzigkeit, wie sie einem die Welt nicht immer entgegenbringt und oftmals sogar austreibt. Er sagte, er rechne meinen Besuch zu den Glücksfällen seines Lebens, er würde meine

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