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Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Titel: Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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ich mich bei seinem Anblick hätte mäßigen können. Meine Not fand ein Ende, als Marcel mir einen Brief brachte, den er an der Tür für mich entgegengenommen hatte. Er kam von Monsieur de T… Er schrieb mir, er mache, da G… M… nach Hause gegangen sei, um Geld für ihn zu holen, sich dessen Abwesenheit zunutze, um mir einen recht vergnüglichen Einfall mitzuteilen: Er sei der Meinung, ich könne mich auf keine angenehmere Weise an meinem Rivalen rächen, als dass ich seine Abendmahlzeit verzehrte und noch in dieser Nacht in eben dem Bett schliefe, das jener mit meiner Geliebten zu teilen hoffte; das scheine ihm recht einfach, sofern ich die Unterstützung von drei oder vier Männern hätte, die beherzt genug seien, um ihn auf der Straße zu entführen, und hinreichend zuverlässig, um ihn bis zum nächsten Tag in Gewahrsam zu halten; er verspreche seinerseits, dass er jenem noch wenigstens eine Stunde lang Umstände bereiten werde, die er sich für seine Rückkehr einfallen lasse.
    Diesen Brief zeigte ich Manon, und ich erzählte ihr von der List, der ich mich bedient hatte, um ungehindert zu ihr zu gelangen. Was ich und Monsieur de T… uns ausgedacht hatten, dünkte sie bemerkenswert. Ein paar Augenblicke lang lachten wir unbeschwert darüber. Doch als ich ihr bedeutete, dass ich die Sache als Scherz ansehe, versteifte sie sich zu meiner Überraschung allen Ernstes auf dieses Vorhaben, da sie die Idee hinreißend finde. Vergebens fragte ich sie, wo ich ihrer Meinung nach so schnell geeignete Leute hernehmen solle, um G… M… zu entführen und ihn zuverlässig zu bewachen. Sie sagte, wir sollten es zumindest versuchen, da Monsieur de T… uns eine weitere Stunde Zeit zusichere, und als Antwort auf meine anderen Einwände sagte sie, ich führte mich auf wie ein Tyrann und erwiese mich ihr gegenüber nicht liebenswürdig. Sie könne sich nichts Amüsanteres vorstellen als diese Unternehmung. «Sie werden von seinem Tafelgeschirr zu Nacht speisen», wiederholte sie mir, «Sie werden in seinem Bett schlafen, und morgen in aller Frühe werden Sie mit seiner Geliebten und seinem Geld auf und davon gehen. Das wird Ihre gerechte Rache an Vater und Sohn sein.»
    Ich gab ihrem inständigen Bitten nach, trotz der heimlichen Regungen meines Herzens, die mir einen verhängnisvollen Ausgang vorherzusagen schienen. Ich verließ das Haus in der Absicht, zwei oder drei Leibgardisten, mit denen Lescaut mich bekannt gemacht hatte, zu bitten, die Entführung von G… M… zu übernehmen. In ihrer Unterkunft fand ich nur einen von ihnen vor, doch der war voller Tatendrang, und kaum hatte er erfahren, worum es sich handelte, sicherte er mir eine erfolgreiche Durchführung zu. Er verlangte nur zehn Goldpistolen von mir, um die drei Wachsoldaten zu entlohnen, die er anwerben und kommandieren wolle.
    Ich drängte ihn, keine Zeit zu verlieren. Er brachte sie in weniger als einer Viertelstunde zusammen. Ich wartete in seiner Behausung auf ihn, und als er mit seinen Kumpanen zurückkehrte, führte ich ihn selbst bis an die Ecke einer Straße, durch die G… M… unweigerlich kommen musste, wenn er Manons Haus betreten wollte. Ich ermahnte ihn, seinen Gefangenen nicht zu misshandeln, ihn jedoch bis sieben Uhr morgens so strikt zu bewachen, dass ich gewiss sein könne, er werde ihm nicht entkommen. Er sagte, er habe die Absicht, ihn in seine Unterkunft zu bringen und ihn zu nötigen, sich auszuziehen oder gar in sein Bett zu legen; er selbst dagegen werde die Nacht mit seinen drei Beherzten bei Trunk und Spiel verbringen.
    Ich blieb bei ihnen bis zu dem Augenblick, da ich G… M… erscheinen sah, und zog mich dann ein paar Schritte weiter in eine dunkle Ecke zurück, um Zeuge einer so unerhörten Szene zu sein.
    Der Leibwächter stellte sich ihm mit der Pistole in der Hand entgegen und erklärte ihm höflich, er habe es weder auf sein Leben noch auf sein Geld abgesehen, doch werde er ihm, wenn er auch nur die geringsten Schwierigkeiten mache, ihm zu folgen, oder auch nur den geringsten Schrei ausstieße, ein Loch ins Hirn pusten. Da G… M… sah, dass jener drei Soldaten als Spießgesellen hatte, und da er zweifellos das Pistolenpulver fürchtete, leistete er keinen Widerstand. Ich sah, wie sie ihn einem Schaf gleich von dannen führten.
    Ich kehrte alsbald zu Manon zurück. Um bei den Dienstboten keinen Verdacht zu erwecken, sagte ich beim Eintreten zu ihr, man brauche mit der Abendmahlzeit nicht auf G… M… zu warten, es seien ihm

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