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Die Geschichte einer Kontra-Oktove

Die Geschichte einer Kontra-Oktove

Titel: Die Geschichte einer Kontra-Oktove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pasternak
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Wirtshaus kein Tatort. Wenn es einen Vorfall gibt, so ist es nur das laute dreimalige Pochen draußen von der Straße her und die lange Pause danach, und dann noch einmal: hartnäckiger und noch lauter das Klopfen am Haustor, endlich schlurfen Pantoffeln über den Korridor, ein Riegel klirrt, und an der Schwelle bekommt es eine schlafeisere, träge Stimme mit einer ganzen Stimmenkapelle von der Straße zu tun, aus der Nachtkälte klirrt das Eis frischer und aufmunternder Stimmen.
    »… Nix zu machen. Ich sag's doch.«
    »Nicht doch, mein Lieber, ich bin es nicht gewohnt, mit einem Hausdiener zu verhandeln. Wo ist – wie heißt er doch gleich – dieser Markus?« »Würzenau, Georg.«
    »Richtig, ja, Würzenau. Ruf deinen Herrn her.« »Weiß nich, ob ich das darf.«
    »Du brauchst auch gar nichts zu wissen, du gehst ganz einfach zu Herrn Würzenau und rufst ihn hier heraus. – – – Gleich, meine Herren, werden Sie Zeuge sein, mit welcher Beflissenheit Herr Würzenau sein Zimmer und sein Bett Madame Scherer überläßt, die ja meine Schwester ist!« »Zu viel Ehre!«
    »Und Sie, mein Schwager, erlauben Sie mir, mich zu erkundigen, ob Sie rasch einschlafen, wenn dies si ce n' est pas une indiscretion exagerée. –« »O ja, besonders heute. Spätestens in fünf Minuten schlafe ich fest.«
    »Gut, lieber Schwager, Schwager auf fünf Minuten.
    Und wir, meine Herren, werden es uns hier irgendwie bequem machen. Allerdings, ehrlich gesagt, befürchte ich einen Ausbruch von Liebenswürdigkeit und Diensteifer bei Herrn Würzenau ebenso mir selbst wie auch mir als Bruder von Frau Scherer gegenüber. Vielleicht haben Sie es schon vermutet, ich bin Fürst Georg Kunz von Wölflingen.« »Oh, ah, ach Herrje. Das ist es also. Ich hab doch gleich sowas gedacht – ach nein, diese Ehre!« »Lassen Sie doch, ich bitte Sie! Setzen Sie sich lieber, hier sind Stühle. Erlauben Sie mir, Ihnen den Sessel anzubieten, Madame, ich bin gewöhnt, in Anwesenheit von Damen zu stehen.« »Georg.« »Ja, Herr Amadeus.«
    »Die Sache ist die, Georg. Ich muß Sie auf ein Weilchen verlassen. Ich muß, verstehst du –. Es ist nämlich, Georg – – –. Auf der Straße – – ich habe auf der Straße meine Geldbörse verloren. Aber ich weiß, wo es gewesen sein muß, verstehst du; es war an der Elisabethkirche, da bei der Kirche, als ich das Taschentuch – –« »Ihre eigene Geldbörse?« »Ja.«
    »Ich habe bisher nie angenommen, daß Sie – kurz und gut: Sie wollen jetzt, noch dazu ohne Laterne, sich gleich auf die Suche machen?«
    »Ja, es sind ja nur ein paar Schritte von hier, Georg.«
    »Herr Amadeus, Sie sind mir heute ganz fremd. Noch nie habe ich Sie so erlebt. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, daß der Unfall mit dem Pferd derart nachhaltige Wirkungen auf Sie haben kann.
    – – Hören Sie, Herr Amadeus, – – glauben Sie mir, Ihr Vorhaben, – – verzeihen Sie, – – ist blanker Unsinn, und was Ihren Verlust …«
»Georg …«
»und Ihr Verlust ist die reine Bagatelle in Anbetracht …«
»Georg …«
    »dessen, daß mein Vater Ihnen gesagt hat …« »Laß mich doch ausreden, Georg.«
    »daß wir gemeinsame Kasse haben, Herr Amadeus, und Sie daher die verlorene Summe doch von mir ersetzt bekommen; Sie kränken mich, lohnt sich das, Herr Amadeus, wegen so einer Bagatelle – – ohne Laterne – – welche, welche, verzeihen Sie, kleinliche Nervosität. – –«
    »Georg, trotzdem, ich ersticke hier, mir ist nicht ganz wohl – ich bin irgendwie verwirrt. Ich gehe hinaus. Gehe ein bißchen spazieren. Und – ich verabschiede mich nicht erst – komme gleich wieder zurück, sie wartet, wahrscheinlich – – –«

    2.

    Der 7. Juli ist vielleicht nicht allen Bewohnern des Städtchens mit seinem Datum in Erinnerung geblieben, aber der Tag selbst war für viele durchaus ungewöhnlich. Er war über die Maßen lang, wenn auch die Meinungen darüber, wie unendlich lang er gewesen war, auseinandergingen. Auf diesen Tag war eine Sitzung des Stadtrats anberaumt, die sich mit einigen Fragen bezüglich der bevorstehenden Kirmes zu befassen hatte. Die Sitzung fand im großen Ratssaal statt, dessen Fenster nach Westen lagen. Und sie näherte sich schon ihrem Ende, als die Mitteilung eines Ratsherrn plötzlich eine überraschende, außerplanmäßige Angelegenheit auf die Tagesordnung brachte. Einige der Herren erregte und bestürzte Kurt Seebalds Nachricht so ungeheuer, daß sie ihn mit einem Knäuel von Fragen und

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