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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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dann eine zweite und dritte weiße Feder zutage. Er legte sie zusammen wie einen Blumenstrauß und reichte sie ihr. Sie fragte sich, wie sich sein Handgelenk an ihren Lippen anfühlen mochte.
    Lynnie wachte auf. Kate war aufgestanden – diesmal war Suzette bei ihr.
    »Wirst du es in ihrer Akte vermerken?«, flüsterte Suzette.
    »Selbstverständlich. Sie hat ein Baby zur Welt gebracht .«
    »Ich würde das nicht tun.«
    »Ein Baby . Es ist irgendwo da draußen. Und jemand von hier ist dafür verantwortlich.«
    »Genau das meine ich ja. Willst du so einen Wirbel verursachen?«
    Kate schwieg.
    »Du weißt, was sie dann machen, oder?«
    »Und was ist mit ihr ?«
    »Sie wird darüber hinwegkommen. Es passiert immer wieder.«
    »Eine Schwangerschaft ?«
    »Es gibt einen Arzt in Harrisburg, der solche Probleme beseitigt.«
    »Aber in diesem Fall hat es niemand bemerkt. Sie hat es ausgetragen, soweit ich es beurteilen kann.«
    »Ich wette, Nummer Zweiundvierzig ist der Vater.«
    »Nein.«
    »Woher willst du das wissen? Er wurde nicht sterilisiert. Ich sage dir, in den Einrichtungen mit den Sterilisationsprogrammen wurde genau das Richtige getan. Das erspart jede Menge Ärger. Aber heutzutage gibt es so was nicht mehr.«
    »Ich weiß, seit wann sie sich miteinander abgeben, und wenn ich nachrechne, kann er es nicht sein.«
    »Ja und? Ist das wichtig?«
    »Ob es wichtig ist? Irgendjemand von hier hat dieses Kind gezeugt. Und – mein Gott, die beiden haben es ganz allein auf die Welt gebracht!«
    »Ich meinte, dass es gar keine Rolle spielt, wer der Vater ist. Dann ist es eben nicht Nummer Zweiundvierzig, sondern ein anderer Insasse. Ja und? Du weißt, was passiert, wenn sie das Baby finden.«
    »Ja«, antwortete Kate traurig.
    »Also, wieso solltest du es melden? Außerdem – was, wenn sich herumspricht, dass es einer Patientin gelungen ist, zu fliehen und ein Baby zu gebären ? Köpfe würden rollen – der von Collins und allen anderen. Wir würden unseren Arbeitsplatz verlieren. Was für Jobs gibt es in dieser Gegend für Leute, die nicht einmal die Highschool abgeschlossen haben? Oder für Frauen, deren Ex keinen Kindesunterhalt bezahlt? Die ganze Stadt kommt in Verruf. Willst du das auf dein Gewissen laden?«
    »Ich rede nicht von wirtschaftlichen Folgen, sondern von Moral. Wir dürfen das Kind nicht sich selbst überlassen.«
    »Vergiss es einfach.«
    »Bist du verrückt?«
    Lynnie flüchtete sich wieder in ihre Träume. Sie rannte mit Buddy über ein Feld auf dem Gelände. Da war die Leiter an der Mauer, auf der anderen Seite lehnte noch eine. Auf der Erde jenseits der Mauer lag ein Bündel, das Buddy gepackt hatte. Sie drehte sich ein letztes Mal um.
    Vor ihnen lagen Wälder, Täler, Wiesen. Dann eine Stadt. Ein Hinterhof. Buddy hob die Falltür zu einem verborgenen Keller. Dort gab es eine Pritsche, einen Generator und Lampen in Blechdosen sowie Becher. Buddy wusste mit allem umzugehen. Deshalb vertraute sie ihm. Sie sagten, er sei taubstumm und schwachsinnig, nur weil sie seine Handbewegungen nicht verstanden. Er schüttelte eine Decke auf. Leg dich hin , sagten seine Hände.
    Und während sie die Geburt im Traum noch einmal durchlebte, hörte sie Kate, die wieder allein war, beten: »Heilige Mutter Gottes, gib mir ein Zeichen. Sag mir, was ich machen soll.«
    Die Sonne weckte Lynnie. Sie hörte, dass die anderen aufstanden.
    Buddy hatte sie in dieser Nacht nicht geholt. Das Baby musste noch bei der alten Lady sein.
    »Du bist wieder da«, rief Doreen, die sich im Bett aufgesetzt hatte.
    Lynnie wollte sich auf die Seite drehen, aber es ging nicht.
    »Sie haben dich gefesselt!«, stellte Doreen fest.
    Lynnie sah an sich herunter. Lederriemen hielten sie an Handgelenken und Knöcheln am Bettrahmen fest. Sie wand sich und grunzte verängstigt, aber die Riemen gaben nicht nach …
    »Ich schätze, sie hatten Angst, dass du noch einmal ausreißt«, meinte Doreen.
    Lynnie drehte den Kopf zum Eingang. Wut schnürte ihr die Kehle zu. Kate war nicht mehr da. Auch Suzettes Schicht war vorbei. Schritte kamen näher – es waren nicht die leichten Schritte von den Arbeitsmädchen, die die Betten abziehen wollten, oder die von den Tagespflegerinnen. Es waren schwere Stiefel und das Kratzen von Tierpfoten.
    Sie wusste, wer das war, und schloss die Augen.
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