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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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schleuderte beide Krücken von sich. Die eine landete auf der Bühne, die andere am Fuß der Rampe.
    Homan hätte vorhin auf der Toilette fliehen sollen. Der Bezopfte und der Dürre hätten ihn verfolgt und möglicherweisean der Tankstelle geschnappt, doch das wäre immer noch besser, als sich hier zum Narren des Tages zu machen. Nun ja, vielleicht war er nicht der Einzige, wenn sich an Sams Zustand auch nichts änderte.
    Er sah Sam in die Augen. Sam starrte ihn an und blähte verärgert die Nasenflügel; sein Blick huschte zum Dürren, der sich mit seinen beiden Begleiterinnen unterhielt. Im nächsten Moment riss der Bezopfte Homan beiseite, und die Frauen schoben Sam nach vor.
    Alles ging so schnell, dass Homan gar nicht wusste, wie ihm geschah. Sam schaute zu ihm auf, als er an ihm vorbeirollte – Tränen standen ihm in den Augen, und er hatte die Zähne fest zusammengebissen. Homan streckte mitfühlend die Hand nach ihm aus und berührte die seine.
    Die Frauen gingen mit Sam die Rampe hinauf.
    Das Scheinwerferlicht erfasste Homans neuen Freund, während der Prediger die Hände auf seinen Kopf legte. Homan zuckte herum, suchte in der Menge und hoffte, dass jemand das in Sams Gesicht erkannte, was er erkannte. Doch alle beteten, und als ihm bewusst wurde, dass er nichts tun konnte, fing auch er an zu beten, obschon er das noch nie gemacht hatte. Er benutzte seine Hände und machte schnell und hektisch die Gebärden.
    Bitte, großer Künstler im Himmel , betete er. Falls es dich überhaupt gibt. Sam ist noch ein Kind. Hol ihn von der Bühne herunter und setz mich an seine Stelle, gleichgültig, ob ich mich da oben zur Lachnummer aller Zeiten mache. Mir wäre es sogar egal, wenn Hüpfendes Haar tatsächlich ein Wunderheiler wäre und mir etwas geben würde, was ich nicht will.
    Der Prediger zog die Hände zurück.
    Sam blieb in seinem Rollstuhl sitzen und starrte den Prediger an.
    Einen Atemzug lang. Zwei … fünf.
    Und dann …
    Die kräftigere der beiden Frauen marschierte über die Bühne und baute sich vor Sam auf. Er funkelte sie an, und obschon sie an seinen Armen zerrte, erhob er sich nicht. Wütend bewegte sie den Mund. Er auch, aber sein Gesicht verriet Trotz. Sie machte einen Satz und bekam sein Hemd zu fassen, als er zurückrollte. Er drehte den Stuhl so schnell, dass sie loslassen musste. Sie stemmte die Hände in die Hüften und umrundete den Rollstuhl. Sam ließ den Arm von der Lehne gleiten, packte die weggeworfene Krücke und hielt sie vor sich wie einen Rammbock. Schockiert wich die Frau zurück. Der Prediger verfolgte verwirrt die Szene. Sam drehte sich um und richtete den Blick auf Homan.
    Mit einem Mal wusste Homan, was er tun musste.
    Er stieß den Bezopften aus dem Weg, stürmte die Rampe hinauf, umfasste die Griffe des Rollstuhls und schob Sam von der Bühne. Der Dürre versuchte Homan festzuhalten, aber der schüttelte ihn ab, schnappte sich die andere Krücke, klemmte sie unter die Armlehne, dann rannte er an den Wartenden vorbei. Die Menge war verblüfft, und Sam und Homan wehrten jeden, der sich ihnen in den Weg stellte, mit den Krücken ab. Es war aufregend, so viele Leute in Schach zu halten und sich einen Weg zur Lobby zu bahnen, ins Freie zu stürmen und auf den Van zuzulaufen, auf den Sam zeigte. Homan hatte keine Ahnung, warum Sam durchbrannte oder wohin er wollte. Er wusste nur, dass er einen Fluchtweg gefunden hatte und Sam auch. Als sie den Van erreichten, hielt Sam seinem neuen Freund ein kleines Täschchen hin – die Autoschlüssel!
    Du hast mein Gebet erhört – und sogar ein noch größeres Wunder vollbracht! , dachte er und warf einen Blick zurück zur Kirche, nachdem er Sam in den Van gesetzt und auf dem Fahrersitz Platz genommen hatte. Er sah, wie derDürre und der Bezopfte sowie Sams Begleiterinnen aus der Kirche stürzten und auf den Van deuteten. Sam machte Homan mit einer ungeduldigen Handbewegung klar, dass er losfahren sollte, noch während die Jungs und die Frauen auf sie zuliefen. Homan gab Gas, und Sam riss vor Freude den Mund auf. Sie rasten auf die Straße.
Die Herkunft
von Wörtern
1969
    »Sieh mal, Ju-Ju«, sagte Martha, »wie sehr die kleinen Entchen gewachsen sind!«
    Sie beugte sich über den Sportkinderwagen und strich über die braunen Locken. Als die zehn Monate alte Julia den Teich sah, strampelte sie mit den Beinchen. »Weißt du noch, wie wir zum ersten Mal in diesem Park spazieren gegangen sind? Damals waren die Entchen noch nicht auf der Welt.

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