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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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Landon saß und ein Gas Wein trank. »Für Sie steht Tee in der Küche«, sagte er.
    Nachdem sie es sich auf dem Sofa bequem gemacht und ihre Tasse auf dem kleinen Tisch abgestellt hatte, beschäftigte sie sich mit ihrer Strickerei, während Landon von den Höhepunkten seines Sommers erzählte. Sie lauschte seinen Geschichten vom Leben am Cape Cod, bis er, als sie ihren Tee ausgetrunken hatte, das Thema wechselte. »Mrs. Zimmer, wie ist es, sich so plötzlich um ein Baby kümmern zu müssen?«
    Martha betrachtete seine Pflanzen. Julia liebte die mit den Blüten.
    »Ich meine, ist es so, wie sie es sich vorgestellt haben? Das heißt, falls Sie überhaupt darüber nachgedacht haben.«
    Sie betrachtete das Strickgarn und bewegte automatisch die Hände. »Ich war viele Jahre allein. Als mein Mann noch lebte, fühlte ich mich wohl. Es war schon schön, ihn im Nebenzimmer zu hören.« Das weniger Angenehme verschwieg sie, und wenn sie daran dachte, wie viel Freude ihr jetzt jeder Tag brachte, wurde ihr bewusst, wie groß ihre Unzufriedenheit gewesen war. »Es ist schon spät«, sagte sie. »Tut mir leid, ich rede dummes Zeug.«
    »Nein. Bitte, reden Sie weiter. Mit Ausnahme einer kurzen Phase, die katastrophal endete, hatte ich nie jemanden, der eine besondere Rolle in meinem Leben gespielt hat – ganz zu schweigen von einem Kind. Es ist beschämend, das zugeben zu müssen.«
    »Du brauchst dich nicht zu schämen. Ich bin in deinem Haus. Mit einem Kind.«
    »Dann schämen Sie sich auch nicht.« Sie strickte schweigend. Schließlich sagte sie: »Ich glaube, ich kann sagen, dass mir Julias Gegenwart guttut, auf eine ganze andere Weise als seinerzeit die meines Mannes.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Sie legte ihre Handarbeit in den Schoß und schloss dieAugen. »Selbst hier unten im Wohnzimmer habe ich das Gefühl, ihr Atmen durch die Decke zu hören. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich sie in ihrem Bettchen liegen; ihr Gesicht wirkt so friedlich im Licht der Straßenlaterne, das durch die Vorhänge sickert. Und sie weiß, dass ich hier bin, das spüre ich. Das ist … sehr schön.« Sie schlug die Augen auf.
    Landon schenkte sich Wein nach. »Möchten Sie auch?«
    Martha schüttelte den Kopf. »Mein Mann war Abstinenzler.«
    »Entschuldigen Sie – ist er nicht gestorben?«
    »Ein Mensch verharrt in seinen Gewohnheiten.«
    »Was Sie nicht sagen. Mit siebzig nehmen Sie die Tochter Ihrer Nichte bei sich auf und verlassen das Zuhause, in dem Sie die meiste Zeit Ihres Lebens zugebracht haben. Das nenne ich in Gewohnheiten verharren.«
    Sie gestattete sich ein kleines Lachen.
    »Kommen Sie, Mrs. Zimmer, genießen Sie ein bisschen Ihr Leben.« Er nahm ein zweites Glas aus dem Regal und hielt die Karaffe darüber. »Nur ein Schlückchen?«
    »Na gut.«
    Er goss das Glas ganz voll. »Danach haben Sie mehr als genug.«
    Sie hatte fast fünfzig Jahre keinen Alkohol angerührt, und es erschien ihr lächerlich, ausgerechnet in dieser Lage etwas zu trinken. Aber zu ihrer Überraschung schmeckte der Wein köstlich. Earl ist ja nicht da. Sie nahm einen zweiten Schluck. Julia ist hier. Landon ist hier. Und ich bin hier. Wer immer ich auch bin.
    Als sie das leere Glas auf den Tisch stellte, war ihr ein wenig schwindlig – kein angenehmes Gefühl, aber es linderte die Peinlichkeit der Situation mit diesem jungen Mann, der ihr sein Haus geöffnet hatte. Sie nahm ihr Strickzeug wieder auf. Es kostete sie Mühe, die Hände zu bewegen.
    »Darf ich Sie etwas fragen?«, sagte Landon. »Sie müssen nicht antworten, wenn Sie nicht wollen. Julia ist nicht die Tochter Ihrer Nichte, nicht wahr?«
    Gegen ihren Willen musste Martha schmunzeln. Als sie die Kontrolle über ihre Mimik zurückgewonnen hatte, schaute sie auf. »Verrat mir, warum du zwei Häuser hast, Landon.«
    Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Manche Menschen sind eben rastlos. Erinnern Sie sich, dass ich als Junge ständig meine Stifte spitzen wollte? Ich habe das mindestens zehnmal am Tag gemacht, nur um dabei aus dem Fenster sehen zu können.«
    »Das hab ich nicht vergessen.« Dieses Mal war ihr Lächeln offener.
    »Als ich anfing, meine Sachen in Galerien zu verkaufen, wollte ich ein zweites Haus haben, in das ich mich zurückziehen kann. Wie Sie wissen, sind meine Eltern nach New Jersey gezogen, bevor ich ins College ging, und in diesem Haus war ich ihnen eine Spur zu nahe. Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht, aber ich kann nicht gut für mich bleiben, wenn bestimmte

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