Die Geschichte eines schoenen Mädchens
stand Landons Jaguar schon vor der Garage, die er zu seinem Atelier umgebaut hatte. Bitte sag, dass wir bleiben können. Doch wenn es sein musste, würde sie gehen.
Martha trug Julia durch die Hintertür ins Haus. Der Duft von Nudeln mit würziger Sauce drang aus der Küche, Jazz-Musik war aus dem Wohnzimmer zu hören. Julia runzelte verwirrt die Stirn und gab ein paar Laute von sich. Sie gingen durch die Diele vorbei an Landons Gepäck, das darauf wartete, nach oben gebracht zu werden, und an dem Tisch, auf den Martha Landons Post deponiert hatte. Einige Kuverts waren auf den Boden gefallen und liegen geblieben. Martha betrachtete das Chaos. Konnte sie mit jemandem zusammenleben, der so schlampig war?
Sie betrat das Wohnzimmer. Landon – in schwarzem Pulli und schwarzer Jeans – lümmelte in einem Sessel und drückte mit einer Hand einen Telefonhörer ans Ohr, in der anderen hielt er einen Brief, mit dem er Martha zur Begrüßung zuwinkte. »Ich muss Schluss machen«, sagte er in den Hörer. Martha roch Landons Cologne schon an der Tür. Den Duft hatte sie ganz vergessen. Er hatte ihr sehr gefallen, als Landon vom Cape Cod hergekommen war, um ihr die Hausschlüssel zu übergeben, aber jetzterschien er ihr fehl am Platze zu sein an diesem Ort mit dem Aroma von warmer Milch, Apfelsauce und gegrillten Käsesandwichs. Julia wand sich in Marthas Armen, und Martha brachte sie rasch in den Laufstall, den sie im Esszimmer aufgestellt hatte. Martha setzte sich zu ihr auf den Boden und reichte ihr über das Gitter ihre Lieblingspuppe. Landon legte auf und rief: »Mrs. Zimmer!«
Sie drehte sich zu ihm um, als er hereinkam. Er warf einen Blick auf die Kleine. »Sie ist sehr gewachsen«, stellte er fest. So war ich früher auch, dachte Martha. Dann bückte sie sich, um mit dem Kind auf Augenhöhe zu sein. Aber Landon dachte nicht daran, deshalb stand Martha auf.
»Mrs. Zimmer«, wiederholte er. »Es war großartig, dass Sie den Sommer über mein Haus gehütet haben.«
»Es war uns ein Vergnügen.«
»Aber, oh – sehen Sie sich das an!« Er drückte ihr den Brief in die Hand. »Ist Ihnen der aufgefallen?«
»Was ist das?«
»Der Brief ist von der Rosati Foundation. Ich bekomme ihren Master of American Arts-Zuschuss. Fünfzigtausend Dollar für meinen Beitrag zu den schönen Künsten!«
»Das ist ja wunderbar.«
»Ich bin im siebten Himmel.« Er machte eine Pirouette. »Allerdings hat die Sache einen Haken, das heißt aber nicht, dass sich etwas für Sie und das niedliche kleine Baby ändert.«
»Einen Haken?«
»Ich muss eine Ausstellungen organisieren, damit die Öffentlichkeit sieht, was ein Bildhauer mit Metall alles anfangen kann. Die Besucher werden in mein Atelier kommen. Ich verspreche, Sie werden gar nicht merken, dass jemand da ist.«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Oh, und ich muss ein paar Helfer einstellen. Nur kurzfristig.Sie werden hier im Haus bestimmt nicht ständig über Fremde stolpern.«
Martha zwang sich zu einem Lächeln.
»Wissen Sie, ich habe mich nämlich gefragt, ob Sie weiter hier wohnen könnten. Bitte, bleiben Sie!«
Sie beugte sich über den Laufstall. »Hast du gehört, was Mr. Landon gesagt hat? Er ist ein sehr netter Mann.«
»Oh«, rief Landon, »die Pasta!«
Martha sah ihm nach, als er in die Küche lief, dann wandte sie sich Julia wieder zu. »Und was sollen wir jetzt machen?«, fragte sie.
Am Abend brauchte Julia ewig, bis sie einschlief. Martha störte das kaum. So gern sie Landon hatte, weiterhin hier bei ihm zu leben war unmöglich, dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, wie sie seine Einladung ausschlagen sollte. Im Klassenzimmer hatte Martha nie Schwierigkeiten gehabt, die richtigen Worte zu finden, doch diese Fähigkeit schien sie außerhalb des Schulgebäudes im Stich zu lassen. Sogar bei Earl – besonders bei Earl – hatte sie ihre Argumente, Ansichten und Vorlieben lieber für sich behalten. Ihr war nie in den Sinn gekommen zu hinterfragen, ob ihr der Mut fehlte, sich zu behaupten, oder ob sie das Gefühl hatte, dass er bedeutender war als sie; sie wollte schlicht gut mit ihm auskommen und hatte sich im Laufe der Zeit ein gewisses Geschick angeeignet, sich auf keine Streitgespräche einzulassen. Jetzt hatte jedoch ein neuer Lebensabschnitt für sie begonnen. Würden ihr die passenden Worte einfallen, die ihr bisher immer gefehlt hatten?
In der Hoffnung, dass sich eine Antwort auf diese Frage von selbst ergeben würde, ging sie hinunter ins Wohnzimmer, wo
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