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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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einmal Feh de sagte, spürte er mehr. Er lachte und schloss die Augen, und sie sagte es wieder und wieder, jedes Mal mit mehr Kraft und Begeisterung, weil er ihre Stimme fühlte und weil sie ein Wort aussprechen konnte. Dann legte er ihre Finger an seinen Hals. Feh eh . Sie schüttelte den Kopf und berichtigte ihn: Feh de. Er wiederholte, und sie nickte. Feh de. Feh de. Er benutzte seine Stimme wie lange nicht mehr, und sie entdeckte die ihre wieder. Sie beobachteten sich gegenseitig, während sie es versuchten, und berührten dabei die Haut am Hals des anderen.
    Jetzt richtete Homan den Blick auf den Trommler und hätte gern den Finger an seinen Hals gelegt, um zu erraten,was er sagte. Doch Homan musste an seine Geschwister denken, die ihn ausgelacht hatten, und an die Verwirrung in den Gesichtern der Leute im Bahnhof, als er um eine Fahrkarte gebettelt hatte. Er erinnerte sich an den schrecklichen Moment, in dem ihn die Polizei aufgegriffen und in Handschellen abgeführt hatte. Danach landete er im Knast. Das schöne Mädchen war die Einzige, die jemals seinen Hals berührt und zu der er mehr gesagt hatte als: »Ich bin taub.« Es hatte etwas Intimes an sich, wenn man den Finger an den Hals eines anderen legte oder zu sprechen versuchte – und das hatte er mit niemandem sonst erlebt, nicht einmal mit Sam. Um die Stimme in Gegenwart eines anderen einzusetzen, bis man ein Wort formen konnte, brauchte man ebenso viel Vertrauen wie bei einem Kuss.
    Schließlich gab der Trommler auf.
    An diesem Abend saß Homan wie immer in seinem Sessel. Alle dachten, er würde nach dem Essen nur dort sitzen, weil es bequem war. Aber es gab noch einen anderen, einen geheimen Grund. Zwischen den Sprungfedern unter der Sitzfläche hatte er sein Geld versteckt und den schwarzen Stoff, der die Federn bedeckte, darüber gespannt. Die anderen hätten über ihn gelacht, hätten sie davon gewusst, da die Bewohner der Farm ihr Geld in einen Topf warfen und alle Anschaffungen gemeinsam tätigten. Für Homan war das Geld nicht bedeutend, weil man sich etwas damit kaufen konnte – er hütete es, weil es das Einzige war, was er in all den Jahren nicht verloren hatte.
    Der gelbe Sessel, den er wie zufällig in die Mitte des Gemeinschaftsraums gestellt hatte, umarmte ihn. Jemand rollte ihm den Plastikball zu, den er gern auf den Schoß nahm und festhielt, solange Musik gespielt wurde. Sobald die Musiker anfingen, an den Gitarrensaiten zu zupfenund den Beat zu schlagen, fühlte er die Vibrationen unter den Fußsohlen, an den Armlehnen und im Ball, den er mit den Händen umschloss. Der Rhythmus durchdrang seinen Körper. Es war fast, als säße er in einem Boot und würde von allen Seiten geschaukelt – zusammen mit seinem Geld, den Erinnerungen und den Empfindungen, die er nicht benennen konnte.
    Er segelte davon und fühlte die Musik. Und er konnte nicht widerstehen – er dachte an das schöne Mädchen. Aber dies war keine echte Erinnerung – es war eine Vorstellung von ihr im Knast: Sie lag in ihrem Bett, schaute auf die Turmuhr und wartete auf einen Mann, der nie wiederkommen würde.
    Denk nicht mehr an sie.
    Einer der Gitarristen zündete eine Zigarette an wie fast jeden Abend. Homan sah von seinem Ball auf, streckte die Hand aus und führte die Zigarette an den Mund. Der Rauch fegte durch seinen Verstand wie der Besen eines Kaminkehrers und löschte all seine Gedanken aus.
    Er reichte den Joint an Weißen Schmetterling weiter. Dann beugte er sich wieder über den Ball – weit weg von dem schönen Mädchen – und ließ sich von der Musik bestürmen.

T E I L III
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Die Parade
1980
    »Wie kannst du noch im Bett liegen?«, hörte Lynnie Doreen sagen, als sie an diesem Junimorgen aus ihren Träumen auftauchte. »Ich dachte, du könntest diesen Tag kaum erwarten.«
    Der Schlaf drückte noch auf ihre Augenlider, als Lynnie überlegte, wovon Doreen sprach. Alles war wie immer: die harte Matratze, die nach Bleichmittel riechenden Laken, das Stimmengemurmel der anderen und der durchdringende Geruch in diesen Räumen. Nein, das stimmte nicht. Die Behörden hatten nach Veränderungen verlangt, daher gab es weniger Insassen in dieser Einrichtung. Amtspersonen, deren Interesse geweckt worden war, inspizierten öfter die Gebäude und das Gelände. Deshalb versuchte man, den Gestank mit Lysol auszumerzen. Und Doreens Bett stand nicht mehr so nah an ihrem, weil Trennwände in die Cottages eingezogen worden waren, so dass jetzt nur noch sechs Leute

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