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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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hatte im letzten Jahr eine gebrauchte Musikbox gekauft, die von seinen Gästen gut angenommen wurde. Swan, Noble und Bienville warfen sich während des Essens immer wieder besorgte Blicke zu, bis Calla es schließlich nicht länger aushielt.
    »Also gut«, sagte sie, »ich will jetzt sofort wissen, was hier los ist.«
    Bienville schluckte heftig, Noble schob seine Brille die Nase hinauf, und Swan griff in ihre Jeanstasche und zog Papa Johns Gebiss hervor.
    »Das hat Papa John heute Nachmittag verloren. Wir haben es gefunden.«
    »Und deswegen seht ihr so aus, als hättet ihr ein schlechtes Gewissen?«, fragte Calla in scharfem Ton.
    Swan wurde wütend. Erwachsene hatten so eine Art, jede einzelne Regung auf dem Gesicht eines Kindes sofort als schlechtes Gewissen zu interpretieren. »Wir haben kein schlechtes Gewissen«, sagte sie lauter als nötig. »Wir machen uns Sorgen . Papa John hätte sich heute Nachmittag fast umgebracht. Und wären wir nicht gewesen, hätte er es auch getan.«
    Willadee sog lautstark den Atem ein, aber Calla schüttelte nur den Kopf.
    »Das hätte er nicht getan. Das tut er nie«, sagte sie.
    Willadee sah ihre Mutter vorwurfsvoll an.
    Calla tat ein wenig Tomatenaufstrich auf ihr Brötchen. »Entschuldige, Willadee, aber darüber kann ich mich nicht mehr aufregen. Das habe ich schon viel zu oft miterlebt. Und ihr esst jetzt eure Okras, Kinder.«
    Willadee schwieg, aber man konnte ihr ansehen, dass sie nachdachte. Nach dem Essen bot sie an, die Küche aufzuräumen, und bat ihre Mutter, die Teufelsbrut ins Bett zu bringen. »Ach ja«, sagte Großmutter Calla, »lass du mich nur die Drecksarbeit machen.« Beide Frauen lachten. Mit beleidigten Mienen ließen sich die Kinder die Treppe hinaufscheuchen. Sie hüteten sich davor herumzumeckern, doch sie hatten ihre eigenen Methoden, sich an Leuten zu rächen, die ihnen unrecht getan hatten. Wenn sie das nächste Mal Kriegsspione spielten, würden sie bestimmt ein paar weibliche Gefangene nehmen und auf die harte Tour Informationen aus ihnen herausquetschen.
    Willadee spülte das gesamte Geschirr, stellte es zum Trocknen auf das Ablaufbrett und betrat dann durch die Hintertür »Never Closes«. Es war die einzige Bar, in der sie je gewesen war, und das auch nur, wenn sie geschlossen hatte. Zumindest ein Mal im Sommer bestand sie darauf, die Kneipe für ihren Vater zu putzen und zu lüften, und jedes Mal hatte sie sich gewundert, wie seine Gäste diesen durchdringenden Gestank nach kaltem Tabak nur aushielten, den man selbst mit intensivstem Schrubben nicht wegbekam. Überrascht stellte sie nun fest, dass es dort ganz anders roch, wenn der Laden voller Leute war. Der Qualm haute einen zwar immer noch um, allerdings war er nun frisch und mischte sich mit dem Geruch des Rasierwassers der Männer und dem schweren Parfüm der wenigen weiblichen Gäste. In einer Ecke tanzte ein einzelnes Paar. Die Frau zerzauste dem Mann die Haare, während er ihr mit den Händen über den Rücken strich. Karten und Domino wurden gespielt, und den Pooltisch konnte man vor lauter Hintern und Ellbogen gar nicht erkennen. So wie die Leute miteinander lachten und scherzten, mussten sie ihre Sorgen an der Tür abgegeben haben. John Moses stand hinter der Bar und öffnete gerade zwei Bierflaschen, die er einer blondierten Frau mittleren Alters reichte, die er dabei mit geschlossenen Lippen anlächelte, weil er sich wegen seines fehlenden Gebisses schämte. Er tat so, als würde er Willadee nicht bemerken, bis sie herüberkam und sich gegen die Bar lehnte.
    Sie reichte ihm seine Zähne. Ganz diskret. John kniff die Augen zusammen, nahm dann das Gebiss, drehte sich kurz um und schob es in den Mund. Dann wandte er sich seiner Tochter zu.
    »Was willst du hier?«
    »Ich dachte, ich guck mal, was andere Leute so treiben«, sagte Willadee. »Wie geht’s dir, Daddy? Ich seh dich ja kaum noch, wenn ich hier bin.«
    John Moses hustete missbilligend.
    »Wenn du nicht so weit weg wohnen würdest, könntest du mich häufiger sehen.«
    Willadee blickte ihren Vater so sanft wie nur möglich an und fragte: »Daddy, ist alles in Ordnung?«
    »Was kümmert dich das?«
    »Es tut es eben.«
    »Quatsch!«
    »Du willst nur, dass es dir schlecht geht. Na, komm schon. Setz doch mal ein Grinsen auf.«
    Aber offenbar war ihm das Grinsen vergangen.
    »Es ist nicht gut«, sagte sie, »sich im eigenen Elend zu suhlen.«
    »Willadee«, brummte er, »du weißt gar nicht, was Elend ist.«
    »Das weiß ich

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