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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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Swan.
    Noble und Bienville starrten fassungslos auf den Boden.
    Grund für ihr Entsetzen waren einige verstreute Kleidungsstücke. Bienvilles Sachen. Die Sachen, die Blade getragen hatte, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatten. Aber wo steckte der Junge ? Er war nicht im Schwimmloch, und es fiel ihnen kein guter Grund ein, weshalb er nackt im Wald herumlaufen sollte.
    »Glaubst du, dass irgendein Tier ihn gefressen hat?«, fragte Bienville keuchend.
    Noble schnaubte verächtlich.
    »Wenn ihn irgendein Tier gefressen hätte, müsste es ihn erst ausgezogen haben. Dann wären die Sachen zerfetzt und blutig.«
    Zumindest waren die Sachen alle noch ganz, und es war auch kein Blut zu sehen. Das war gut.
    Swan hob die Kleidungsstücke auf und drückte sie an ihr Herz. Ihre Brüder suchten die Gegend nach Spuren eines Kampfes ab. Es gab keine.
    »Wenn ihn sich irgendwer geschnappt hat, hat er sich jedenfalls kaum gewehrt«, folgerte Noble.
    Was Swan nicht sonderlich beruhigte. Sie dachte daran, wie heftig sich Blade vor ein paar Tagen gewehrt hatte, um Onkel Toy zu entkommen, und da waren auch keine Spuren von einem Kampf im Kälberpferch zurückgeblieben. Wenn ein Kind von jemand sehr viel Größerem in die Höhe gehalten wird, dann gibt es am Boden keine Hinweise darauf, was passiert ist.
    Unter diesen Umständen erschien ihnen alles noch sehr viel dringlicher als zuvor, und sie bewegten sich umso vorsichtiger vorwärts, achteten auf jeden Schritt und sprachen kein Wort mehr. Sie mussten das Ballenger-Grundstück fast erreicht haben, also würde sich bald herausstellen, wie gut die Sache mit dem Wunder tatsächlich funktionierte.
    Es gibt Situationen im Leben, in die wir mehr oder weniger hineinschlittern. Situationen, die wir nicht vorhersehen konnten, auf die wir nicht vorbereitet waren und die wir um beinah jeden Preis hätten vermeiden wollen. Die Lake-Kinder sollten jetzt eine solche Situation erleben.
    Gemäß dem Plan, den Swan vor einer Weile dargelegt hatte, hatten sie jetzt, wenn sie den Feind erspäht hatten, sieben Mal um das Grundstück herumzugehen, so wie es die Priester bei der Schlacht von Jericho getan hatten. Sie sollten nicht sprechen und keinerlei Geräusche von sich geben, bis sie die sieben Runden beendet hatten. Dann würden sie lautlos den Stoff von den Klöppeln entfernen und – auf ein Zeichen von Swan hin – die Kuhglocken schütteln und zugleich auf den Entenlockpfeifen blasen. Hatten sieben Posaunen genügt, um die Mauern von Jericho zum Einsturz zu bringen, dann sollten drei Kuhglocken und drei Entenlockpfeifen doch ausreichen, um Ras Ballenger niederzuwerfen. Dann müsste der allmächtige Gott nur noch dafür sorgen, dass er so lange liegen blieb, bis sie Blade gefunden und in Sicherheit gebracht hatten.
    Allerdings kamen sie nie dazu, den Plan in die Tat umzusetzen. Sie waren gerade unter einem Stacheldrahtzaun hindurchgekrochen, der, wie sie richtig vermuteten, die Grenze zwischen dem Land von Großmutter Calla und dem der Ballengers markierte, als sie eine Stimme hörten. Die Jungen kannten sie nicht, konnten aber ahnen, zu wem sie gehörte. Swan brauchte nicht zu raten, sie wusste es.
    »Hoppla!«, sagte Ras Ballenger spöttisch. »Wo willst du denn hin? Nein. Nicht da lang.« Und nach einer kurzen Pause: »Da auch nicht.«
    Swan und ihre Brüder erstarrten zu Statuen, hatten Angst, auch nur zu atmen. Erst nach einer Weile begannen sie auf die Stimme zuzuschleichen, die hinter einer Gruppe von Trauerweiden zu hören war.
    Sie mussten sich fast bis auf die Erde bücken und sich einen Weg zwischen den tief hängenden Zweigen hindurchbahnen, und das ganz vorsichtig, damit weder die Blätter an den Zweigen noch die auf dem Boden raschelten. Als sie fast die Trauerweiden hinter sich gelassen hatten, sahen sie vor sich eine Lichtung, eine weite offene Fläche, auf der zwei große Kiefern wahrscheinlich von dem Tornado entwurzelt worden waren. Die Kiefern waren quer übereinandergefallen, etliche Äste waren abgebrochen und lagen zerbrochen auf dem Boden herum.
    Und inmitten dieses ganzen Durcheinanders sahen sie Blade. Nicht einmal hundert Meter von ihnen entfernt. Er trug völlig verdreckte Sachen und war selbst fast starr vor Schmutz. Sein feines schwarzes Haar klebte verfilzt an seinem Kopf. Er sammelte Holzstücke auf, lief hin und her, immer schneller und schneller, während sein Vater die abscheuliche Bullenpeitsche knallen ließ und ihm blaffend Anweisungen erteilte.
    »Da hast du

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