Die Geschichte eines Sommers
hatte sich eine dunkle Stimmung auf die ganze Familie gelegt. Die Erwachsenen hatten, meist mit gedämpfter Stimme und wenn sie glaubten, die Kinder würden nicht zuhören, viel darüber geredet, was denn aus dem Jungen geworden sein mochte, wie sehr sie wünschten, dass sie ihm helfen könnten, und wie das Gesetz und Ras Ballenger, würden sie tatsächlich versuchen zu helfen, sie wie die Pest heimsuchen würden. Deshalb kam auch niemand auf die Idee, dass man einfach zu Ballengers Hof gehen und Blade holen könnte.
Swan hatte ihren Vater auf die Schlacht von Jericho angesprochen und gesagt, wenn Gott Josua einen so entscheidenden Vorteil verschafft hätte, dann würde er doch bestimmt auch ihre Bemühungen segnen, Blade zu retten. Schließlich hatten Josua und seine Leute die Mauern einer befestigten Stadt zum Einsturz bringen müssen, und sie brauchten nichts weiter zu tun, als einen schleimigen kleinen Schlangenmann so zu erschrecken, dass er einen Herzinfarkt bekam. Oder ihn zumindest so lange abzulenken, dass man sich seinen Sohn schnappen konnte. Da sie keine Posaunen hatten, hatte sie sich überlegt, dass sie stattdessen Kuhglocken benutzen könnten. Draußen in der Scheune waren noch ein paar rostige alte Dinger, die einen fürchterlichen Krach machten, wenn man sie mit voller Kraft schüttelte.
Samuel erklärte ihr, man könne nicht einfach versuchen, Wunder zu wiederholen, die sich in biblischen Zeiten ereignet hatten, aber Swan erwiderte, doch, das könne man, wenn man einen Glauben hätte, so groß wie ein Senfkorn. Darüber hätte sie ihn schließlich oft genug predigen hören, wie ein winziges Körnchen Glaube eine riesige Ernte einbringen kann.
»Das sagst du doch immer in deinen Predigten«, erklärte sie ihm, »wenn wir Gott unseren Glauben beweisen, beweist er uns auch seine Gnade.«
»Ich weiß nur nicht, ob es eine gute Idee ist, das Ballenger-Grundstück mit ein paar Kuhglocken zu umzingeln«, sagte Samuel.
Doch da weder er noch jemand anderes eine bessere Idee hatte, beschloss Swan, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Das Problem dabei war nur, dass sie bloß zwei Hände hatte, aber mehr davon gebraucht hätte. Immerhin wusste sie, wo sie weitere vier herkriegen konnte.
Noble und Bienville traf fast der Schlag, als Swan ihnen ihren Plan unterbreitete.
»Aber dieser Mann bringt uns um, Swan«, sagte Noble.
»Nicht, wenn wir dafür sorgen, dass er uns nicht erwischt«, entgegnete Swan. »Bevor wir mit dieser Operation beginnen, müssen wir dafür sorgen, dass wir Gott auf unserer Seite haben. Und das werden wir mit Fasten und Beten erreichen.«
»Und wie lange müssen wir fasten?«, fragte Bienville. Er wusste nicht genau, was es alles zum Abendessen gab, doch als er das letzte Mal durch die Küche gegangen war, hatte er gesehen, wie seine Mama Bananenpudding machte.
Swan meinte, dass vierundzwanzig Stunden reichen müssten. Das war zwar nicht so lange, wie die Leute in der Bibel normalerweise fasteten, aber es handelte sich schließlich auch um einen Notfall. Als Bienville ihr von dem Bananenpudding erzählte, verkürzte sie die Zeit noch etwas. Wahrscheinlich würde es sogar reichen, wenn sie nur auf das Mittagessen verzichteten – zu dem es wahrscheinlich Sandwiches mit Erdnussbutter gab – und sich in dieser Zeit vor den Gnadenthron knien würden. Wie sie die Dinge sah, könnten sie Blade retten und pünktlich zum Abendessen wieder zu Hause sein.
Swan wusste, wie man über die Straße und den schmalen Pfad zum Ballenger-Grundstück kam, hielt es aber für besser, sich heimlich anzuschleichen. Es musste doch einen Weg von hinten auf das Grundstück geben, denn wo eine Vorderseite war, musste auch eine Rückseite sein. Sie war ziemlich sicher, dass sie finden würden, wonach sie suchten, wenn sie dem Bach folgten. Schließlich waren an dem Tag, an dem sie nach einer Stelle gesucht hatte, wo sie Lovey taufen könnten, Blade und sein Daddy dort aufgetaucht, die auch irgendwie dorthin gekommen sein mussten.
Eine Rettungsaktion verlangt ein gewisses Maß an Vorbereitung, und eine der wichtigsten Vorbereitungen besteht darin, dafür zu sorgen, dass kein Erwachsener einen genau in dem Moment sucht, wenn man zur Tat schreiten will. So führt zum Beispiel ein Nichterscheinen zum Essen unweigerlich dazu, dass große Leute nach kleinen Leuten Ausschau halten. Swan und ihre Brüder lösten das Problem, indem sie ihrer Mutter einen Teil der Wahrheit erzählten, dass sie vorhätten, eine
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