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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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ein Stück übersehen!«, brüllte Ballenger und trieb den Jungen vor und zurück. »Was ist nur los mit dir? Kannst du denn gar nichts richtig machen?«
    Swan war so schockiert, dass sie nach Nobles Arm griff, um sich zu stützen. Bienville, der auf der anderen Seite von Noble stand, hielt sich am Hemdzipfel seines Bruders fest. Noble ließ die beiden zwar gewähren, hielt sich selbst aber auch nur mit Mühe auf den Beinen.
    Dann geschah es. Blade wich nicht schnell genug einem Hieb aus, sodass die Peitsche ihn im Gesicht erwischte. Er stieß einen herzzerreißenden Schrei aus und hörte auf, hin und her zu laufen. Bewegte sich überhaupt nicht mehr.
    Swan und ihre Brüder starrten entsetzt zu ihrem Freund hinüber, starrten auf das Blut, das plötzlich überall dort hinunterrann, wo davor sein Auge gewesen war .
    Swan wurde ohnmächtig.
    Noble spürte, wie seine Schwester seinen Arm losließ, und schaffte es gerade noch, sie aufzufangen, sodass sie nicht zu Boden stürzte, wobei sie sich womöglich wehgetan oder Ballenger mit dem dumpfen Aufschlag auf sie aufmerksam gemacht hätte. Bienville hatte Nobles Hemdzipfel losgelassen und stand starr da, Augen und Lippen zusammengekniffen, sodass Noble als Einziger von ihnen mitbekam, was als Nächstes geschah.
    Als Ras Ballenger sah, was er angerichtet hatte, schüttelte er den Kopf. Die Geste wirkte eher so, als wäre der Unfall ihm lästig, nicht, als täte es ihm leid. Mit der Peitsche noch immer in der rechten Hand ging er zu Blade, hob ihn hoch, nahm ihn unter den linken Arm und trug ihn davon, wie ein Farmer ein quiekendes Schwein tragen würde. Verließ die Lichtung und verschwand.

24
    Willadee bemerkte die Kinder, als sie über eine Anhöhe der Weide kamen und auf das Haus zusteuerten. Wie immer folgten sie dem alten, ausgetretenen Kuhpfad. Willadee hatte sie schon Dutzende von Malen dort entlanggehen sehen und nie etwas Besonderes dabei empfunden, aber diesmal spürte sie, wie sich etwas in ihrer Brust zusammenzog.
    Sie war auf dem hinteren Hof und enthülste lila Erbsen. Ihre Finger waren rot verfärbt, die Spülschüssel auf ihrem Schoß war halb voll. Sie stellte die Schüssel beiseite und stand auf, um besser sehen zu können. Irgendetwas stimmte nicht, das spürte sie. Zum einen führte Swan ihre Brüder nicht an, was so gut wie nie vorkam, und zum anderen hielt sie Noble an der Hand.
    Bienville zockelte hinterher, aber das war nicht ungewöhnlich. Er zockelte immer hinterher. Doch seine Schultern waren gebeugt, und er betupfte sich mit dem Hemdsärmel fortwährend Augen und Nase.
    »Toy!«, brüllte Willadee. »Toy, komm schnell, irgendwas stimmt mit den Kindern nicht!«
    Toy war im »Never Closes«, als er Willadee hörte. Es war noch zu früh, um die Kneipe zu öffnen, es war noch nicht mal Zeit zum Abendessen. Er und Bernice waren erst vor wenigen Minuten eingetroffen, und er war in die Bar gegangen, um ein bisschen sauber zu machen. Jetzt raste er ins Freie und sah Willadee auf die Weide laufen. Als er sie einholte, hatte sie die Kinder bereits erreicht und nahm alle drei gleichzeitig in die Arme.
    »Es war furchtbar«, sagte Noble schaudernd.
    Bienville sah aus, als würde er sich jeden Moment übergeben müssen. »Sein Auge war weg!«, schrie er. »Einfach weg .«
    Swan ballte die Fäuste und schlug damit gegen ihre Beine. »Wir haben ihn im Stich gelassen«, jammerte sie. »Wir waren da, haben es gesehen, und wir haben ihn im Stich gelassen!«
    »Ihr habt niemanden im Stich gelassen«, sagte Oma Calla mit Nachdruck.
    Alle befanden sich jetzt im Wohnzimmer: Calla, die den Laden unbeaufsichtigt gelassen hatte, sobald sie hörte, dass etwas passiert war, Samuel, der von der Arbeit nach Hause gekommen war, während die Kinder noch ihre Geschichte erzählten, Bernice, die schon immer gewusst hatte, dass etwas so Schlimmes oder noch Schlimmeres passieren würde, sowie Toy, Willadee und die Kinder. Calla saß in ihrem Schaukelstuhl und hielt Swan im Arm. Bienville saß auf Willadees Schoß und drückte sein Gesicht fest an ihre Schulter. Noble saß allein auf einem großen Kissen und hielt sich mit beiden Händen an dessen Seiten fest.
    »Wir haben ihn ganz schrecklich im Stich gelassen«, schluchzte Swan. »Wir sind nicht mal dazu gekommen, die Klöppel auszuwickeln.«
    »Was für Klöppel?«, wollte Willadee wissen.
    »Wir wollten Kuhglocken läuten und auf Entenlockpfeifen blasen, um Mr Ballenger einen Schreck einzujagen«, erklärte Noble. Man merkte,

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